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Eine extrem seltene Form von verlagerten und impaktierten Zähnen

Eine anamnestisch unauffällige 58-jährige Patientin stellte sich nach alio loco erfolgter Abszessinzision in Regio 47 mit persistierenden Beschwerden im Universitätsklinikum Münster vor. Klinisch zeigte sich eine submuköse, leicht verhärtete Schwellung im rechten Unterkiefer. Im Orthopantomogramm zeigten sich beidseits mit ihren Okklusalflächen einander zugewandte zweite und dritte Molaren. Zusätzlich zeigte sich zwischen den Zähnen eine Radioluzenz, was den Verdacht auf zwei follikuläre Zysten ergab. Dieser seltene radiologische Befund wird als „kissing molars“ beschrieben. Aufgrund der nervnahen Lagebeziehung und zur Darstellung der Zystenausdehnung wurde eine digitale Volumentomographie erstellt.

Nach der Akuttherapie mit Inzision und Drainage erfolgte sekundär die operative Entfernung der Zähne und Zysten mit anschließender Kollageneinlage. Die pathohistologische Aufarbeitung erbrachte den Nachweis zweier follikulärer Zysten.

Sechs Monate postoperativ zeigten sich reizlose Schleimhautverhältnisse und die radiologische Kontrolle ergab eine weitgehende Verknöcherung (Abb. 8).


Abb. 8 Orthopantomogramm 6 Monate postoperativ

Diskussion

Der Begriff „kissing molars“ wurde erstmalig 1973 von Van Hoof beschrieben. Bei dieser Verlagerung von impaktierten Unterkiefermolaren liegen die Okklusalflächen des nach distal angulierten 7er und des nach mesial angulierten 8er einander zugewandt1. In der Literatur wird der Befund auch als „rosette formation“, „rostetting of molars“ oder „impacted love“ bezeichnet2.

Es finden sich nur etwa 30 Fallberichte in der Literatur, wovon nur wenige bilateral auftraten3,4. Typisch ist, dass sich die „kissing molars“ einen Zahnfollikel teilen3. Sie können einseitig oder wie in diesem Fall beidseitig im Unterkiefer auftreten. Sie treten geschlechts- und altersunabhängig auf. Fast immer sind die dritten Molaren betroffen5.

Meist sind die Befunde asymptomatisch und werden per Zufall entdeckt5,6.

Gulses et al. unterteilt die „kissing molars“ in drei Klassen: Klasse I (erster und zweiter Molar), Klasse II (zweiter und dritter Molar) und Klasse 3 (dritter und vierter Molar). Hier lag eine Klasse II nach Gulses vor3.

Die Ätiologie ist unklar2. Einige Autoren vermuten eine Mukopolysaccharidose, da es hier häufig zu einem verspäteten Zahndurchbruch kommt7,8. Andere sehen nur eine abnormale Lage der Zahnkeime und eine damit verbundene Zahndurchbruchstörung der unteren Molaren als Ursache2.

Bei Vorliegen von zystischen Läsionen, Schmerzen oder Entzündungen wird die operative Entfernung empfohlen2,3,6. Operative Risiken sind, insbesondere bei nervnaher Lage, die Verletzung des N. alveolaris inferior oder des N. lingualis. Eine präoperative Bildgebung mittles CT oder DVT zur genauen Lagebestimmung wird allgemein empfohlen6. Weiter besteht bei ausgedehnten Zysten ein erhöhtes Frakturrisiko der Mandibula. Einige Autoren führten nach der operativen Entfernung einen Knochenaufbau um Beispiel mit autologem Knochen vom Beckenkamm durch9. Alternativ zur Operation kann eine regelmäßige Verlaufskontrolle oder eine kieferorthopädische Einstellung der Zähne diskutiert werden3.

Schlussfolgerung

Bilateral Kissing Molars sind eine extrem seltene Form von verlagerten und impaktierten Zähnen. Im vorliegenden Fallbeispiel wurde aufgrund der zystischen Läsionen und der vorausgegangen Entzündung die operative Entfernung durchgeführt. Die Zähne und Zysten konnten in einem Eingriff vollständig entfernt werden, ohne dass der Defekt mit autologem Knochen oder Knochenersatzmaterial aufgefüllt werden musste.

Ein Beitrag von Linda Daume, Marcel Hanisch, Maximilian Timme und Johannes Kleinheinz, alle Münster

Literatur


1. Van Hoof, RF.: Four kissing molars. Oral Surg Oral Med Oral Pathol 1973 35 284


2. Menditti, D.; Laino, L.; Cicciu, M. et al.: Kissing molars: report of three cases and new prospective on aetiopathogenetic theories. Int J Clin Exp Pathol 2015 8 15708 - 15718


3. Gulses, A.; Varol, A.; Sencimen, M. et al.: A study of impacted love: kissing molars.
Oral Health Dent Manag 2012 11 185 - 188


4. Robinson, JA.; Gaffney, W. Jr.; Soni, NN.: Bilateral „kissing“ molars.
Oral Surg Oral Med Oral Pathol 1991 72 760


5. Krishnan, B.: Kissing molars.Brit Dent J 2008 204 281 - 282


6. Brauer, HU.: Kissing molars – Ein unerwarteter, seltener radiologischer Befund.
ZRW – Das Deutsche Zahnärzteblatt 2017 126 245


7. Nakamura, T.; Miwa, K.; Kanda, S. et al.: Rosette formation of impacted molar teeth in mukopolysaccharidoses an related disorders. Dentomaxillofac Radiol 1992 21 45 – 49


8. McIntyre, G.: Kissing molars: unexpected finding. Dent Update 1997 24 373 – 374


9. Koerner, KR.: Manual of minor oral surgery for the general dentist. Ames, IA: Blackwell Munksgaard 2006


Quelle: International Poster Journal 4/18 Chirurgie Zahnmedizin

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