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Ein Überblick über bisher in der Endodontie verwendete Materialien und ihre Anwendungsmöglichkeiten


Dr. med. dent. Jürgen Wollner, Nürnberg

Dieser Beitrag aus der Zeitschrift Quintessenz gibt einen Überblick über die bisher in der Endodontie verwendeten bio­keramischen Materialien und deren Anwendungsmöglichkeiten. Die Historie dieser Materialien und die Weiterentwicklung der vergangenen 20 Jahre werden aufgezeigt.

Zusätzlich wird durch Studien belegt, dass die Biokeramiken sich sowohl in der ortho- als auch in der retrograden Wurzelkanalbehandlung erfolgreich einsetzen lassen und teilweise sogar herkömmlichen Materialien überlegen sind. Abschließend werden vier klinische Fälle präsentiert, bei denen ein biokeramisches Produkt (TotalFill BC Sealer) als Sealer, als retrogrades Verschlussmaterial bzw. für den Verschluss einer Perforation zum Einsatz kam (Quintessenz 2016; 67(4): 385–392) .

Die „Quintessenz“, Monatszeitschrift für die gesamte Zahnmedizin, ist der älteste Titel des Quintessenz-Verlags, sie wird 2019 wie der Verlag selbst 70 Jahre alt. Die Zeitschrift erscheint mit zwölf Ausgaben jährlich. Drei Ausgaben davon sind aktuelle Schwerpunktausgaben, die zusätzlich einen Online-Wissenstest bieten mit der Möglichkeit, Fortbildungspunkte zu erwerben. Abonnenten erhalten uneingeschränkten Zugang für die Online-Version der Zeitschrift und Zugang zur App-Version. Mehr Infos, Abo-Möglichkeit sowie ein kostenloses Probeheft bekommen Sie im Quintessenz-Shop.


In den vergangenen 25 Jahren haben sich die Behandlungskonzepte in der Endodontie enorm verbessert. Durch die Einführung des Operationsmikroskops, der elektrometrischen Längenbestimmung, der maschinellen Aufbereitung mit flexiblen Feilensystemen, der ultraschall­aktivierten Desinfektion („passive ultrasonic irrigation“, PUI) und thermoplastischer Wurzelkanalfülltechniken konnten die Prognosen deutlich günstiger gestaltet werden. Eine Komponente der Wurzelkanalbehandlung hat sich aber in dieser Zeit nur unwesentlich verändert, nämlich das Material, mit dem die Obturation durchgeführt wird. Seit vielen Jahren ist es der Wunsch der Praktiker und gleichzeitig die Herausforderung für die Wissenschaft sowie die Industrie, ein ideales Wurzelkanalfüll- und Reparaturmaterial zu entwickeln. Es soll im Gegensatz zu den bisherigen Füllmaterialien Feuchtigkeit vertragen und (selbst nach abgeschlossener Abbindephase) nachhaltig antibakteriell wirken, aber darüber hinaus auch biokompatibel sein und möglichst keine Schrumpfung aufweisen.

Das bereits in den 1990er Jahren entwickelte Mine­raltrioxidaggregat (MTA) war das erste biokeramische Material in der Endodontie. Wegen der schwierigen Verarbeitung konnte es sich aber nicht als universelles Obturationsmaterial durchsetzen und wurde hauptsächlich als retrogrades Füllmaterial in der apikalen Chirurgie, zur Perforationsdeckung, zur direkten Überkappung und bei der Apexifikation verwendet. Gerade in der Behandlung jugendlicher Frontzähne mit nicht abgeschlossenem Wurzelwachstum (häufig nach Trauma) konnte das bislang praktizierte, langwierige Verfahren mit wechselnden Kalziumhydroxideinlagen durch ein zweizeitiges Vorgehen mit deutlich günstigerer Pro­gnose abgelöst werden. MTA gilt auch als Füllmaterial der Wahl für die Revaskularisation.

In den vergangenen Jahren sind einige vielversprechende biokeramische Wurzelkanalfüllmaterialien entwickelt worden, welche die oben erwähnten Eigenschaften mit einer einfacheren Handhabung vereinen und deshalb eine breitere Anwendung finden könnten.

Historie

Bei MTA handelt es sich um einen modifizierten, hochreinen Portlandzement. Im Gegensatz zum herkömmlichen Portlandzement ist MTA frei von Schwermetallen und Arsen16. Die Anwendung in der Zahnheilkunde, insbesondere in der Endodontie, wurde zum ersten Mal 1993 von einer Forschungsgruppe an der Universität von Loma Linda unter der Leitung von Mahmoud Torabinejad publiziert14,15. Die Hauptbestandteile von MTA sind Kalziumsilikat, Trikalziumaluminat und Kalziumsulfat. Zur Erhöhung der Röntgenopazität wird Bismutoxid hinzugefügt. 1998 wurde ProRoot MTA (Dentsply Tulsa Dental Specialties, Tulsa, USA) als erstes Produkt auf dem nordamerikanischen Markt für dentale Zwecke zugelassen. Dieses MTA war grau (GMTA) und enthielt noch zusätzlich Tetrakalziumaluminatferrit. Seit 2002 gibt es MTA in der von Eisenoxid bereinigten Form als weißes MTA (WMTA). Das Eisenoxid war für die häufig ästhetisch ungünstigen Verfärbungen der Gingiva verantwortlich1.

Das Pulver wird mit sterilem destilliertem Wasser angemischt, woraufhin zunächst ein kolloidartiges Gel entsteht, das dann innerhalb von mehreren Stunden aushärtet15. MTA ist dabei weitgehend feuchtigkeits­unempfindlich. Penetrationstests ergaben eine gute Randdichtigkeit, die im Vergleich zu alternativen Ma­terialien mindestens ebenbürtig war1. Verschiedene Studien fanden sogar für MTA überlegene Werte5. Die Biokompatibilität von MTA kann als sehr gut eingestuft werden; es induziert eine Wurzelzementneubildung an der Grenzfläche zum Parodont und ist damit in seiner Produktklasse einzigartig16.

Bereits 2007 wurde von der Firma Innovative BioCeramix (Vancouver, Kanada) mit iRoot SP der erste vorgemischte und gebrauchsfertige Sealer entwickelt. Wenig später folgten zwei Produkte mit ähnlicher Zusammensetzung, aber unterschiedlicher Konsistenz: iRoot BP, eine Paste mit höherer Viskosität als „Root Repair Material“ (RRM), und iRoot BP Plus als knet­bares Putty. 2008 entwickelte die Firma Brasseler USA (BUSA, Savannah, USA) ein in der Zusammensetzung sehr ähnliches Material, welches unter den Namen EndoSequence und TotalFill auf den Markt kam. Seit 2013 sind diese beiden Produkte als TotalFill BC Sealer (FKG Dentaire, La Chaux-de-Fonds, Schweiz/Fa. American Dental Systems, Vaterstetten) und EndoSequence Biokeramik (Henry Schein, Langen) auch in Deutschland erhältlich.

Eigenschaften

Seit 2009 wurde auf diesem Gebiet sehr intensiv geforscht, was auch die Zahl der Studien zeigt. Allein über MTA wurden bisher ca. 1.800 Untersuchungen veröffentlicht, und für vorgemischte, gebrauchsfertige biokeramische Wurzelkanalfüllmaterialien gibt es etwa 50 Studien, die sich hauptsächlich mit den nachfolgend aufgeführten Eigenschaften beschäftigten.

Bioaktivität: In mehreren Studien wurde die Bioaktivität der erwähnten Materialien belegt. Das bedeutet, dass eine positive Wirkung auf zelluläre Interaktionen eintritt20. Es kommt zur Präzipitation von Hydroxylapatitstrukturen, die sich mit der Zeit vermehren13. Auf der Oberfläche der biokeramischen Sealer zeigen humane Pulpazellen eine optimale Proliferation und Mineralisation18.

Biokompatibilität und Zytotoxizität: Schon eine Studie von 2001 bescheinigte MTA und Kalziumphosphatzementen eine gute Biokompatibilität und bezeichnete sie als die zukünftige Alternative für herkömmliche Wurzelkanalfüllmaterialien, insbesondere Sealer7. Eine Anlagerung von für die Wundheilung notwendigen Zellen wird gefördert. Gleichzeitig konnte eine geringere Toxizität als bei den gängigen Sealern festgestellt werden. AH Plus war signifikant höher toxisch als BC Sealer und MTA21. In der apikalen Chirurgie erfreuen sich Silberamalgam und SuperEBA ungebrochen großer Beliebtheit. Obwohl Amalgam für diese Indikation obsolet ist, konnte sich MTA trotz seiner Überlegenheit hinsichtlich Biokompatibilität, inflammatorischer Reaktion und Dichtigkeit wegen der schwierigen Verarbeitung nicht auf breiter Front durchsetzen2. Im direkten Vergleich für die Indikation als retro­grades Füllmaterial zeigten MTA und BC Sealer ähnlich gute Eigenschaften. Eine kürzlich erschienene histologische Studie belegt, dass der neue biokeramische Werkstoff EndoSequence Root Repair Material (RRM) dem klassischen MTA sogar überlegen ist, was die Regeneration des parodontalen Ligaments und des Knochens entlang der Resektionsfläche angeht. Anhand von digitalen volumentomographischen bzw. hochauflösenden mikrotomographischen (µCT) Aufnahmen konnte in 92,6 % der Fälle für RRM eine vollständige Ausheilung beobachtet werden, was signifikant besser als in der MTA-Gruppe war. Auf konventionellen Röntgenaufnahmen ließ sich dieser minimale Unterschied erst gar nicht erkennen4.

Antibakterieller Effekt und pH-Wert: Alle biokeramischen Materialien haben ähnlich dem Kalziumhydroxid während des Abbindens einen hohen pH-Wert (10,9 bis 12,0) und damit eine gute antibakterielle Wirkung22. Der pH-Wert ist außerdem signifikant höher als bei AH-Plus und bleibt auch nach vollständigem Abbinden konstant (pH-Wert: 11,8 nach 7 Tagen), was wiederum die Elimination von Bakterien wie Enterococcus faecalis fördert3,17,22.

Dichtigkeit: Während bei der lateralen Kondensation versucht wird, eine Schrumpfung des Sealers durch einen möglichst hohen Anteil von Guttapercha an der Wurzelfüllmasse zu kompensieren, gilt es bei den thermoplastischen Techniken, eine Volumenschrumpfung der Guttapercha auszugleichen, welche in der Abkühlungsphase auftritt und sich negativ auf die Dichtigkeit der Wurzelkanalfüllung auswirkt (z. B. durch schrittweise Verdichtung von Guttapercha-Inkrementen, erstmals 1967 von Herbert Schilder als vertikale Kondensation beschrieben)12. Der Hauptkritikpunkt an der klassischen kalten Einstifttechnik war, dass ein hoher Anteil des Sealers infolge seiner Volumenschrumpfung in der Abbindephase für eine schlechte Dichtigkeit der Wurzelkanalfüllung sorgt. Da BC Sealer unmittelbar bei Wärmezufuhr härtet und versprödet, ist es für die Anwendung in Verbindung mit thermoplastischen Techniken ungeeignet. In der Abbindephase erleidet es jedoch keine Volumenschrumpfung. Somit findet hier ein Paradigmenwechsel statt, der die Einstifttechnik unerwartet wiederaufleben lässt. Allerdings sind wie bei den etablierten Techniken eine adäquate biologische Aufbereitung, Längenmessung und Desinfektion sowie eine genaue Passung des Mastercones unabdingbar. In einigen Untersuchungen konnte kein signifikanter Unterschied in Penetrationstests (z. B. Flüssigkeitsfiltration) im Vergleich biokeramischer Sealer mit einer Einstifttechnik versus AH Plus mit thermoplastischer Fülltechnik festgestellt werden19. Die neuen biokeramischen Sealer versiegeln den Wurzelkanal zwar besser als herkömmliche, können Undichtigkeiten aber nicht vollständig eliminieren11.

Frakturresistenz: In einem Druckbelastungstest an extrahierten Unterkieferprämolaren mit standardisierter Aufbereitung und Wurzelkanalfüllung mittels Einstifttechnik zeigte BC Sealer besonders in Verbindung mit biokeramisch oberflächenbeschichteten Guttaperchastiften (BC Points) die größte Frakturresistenz der Wurzeln ohne einen signi­fikanten Unterschied zur Kontrollgruppe8. Eine ebenfalls an Unterkieferprämolaren durchgeführte In-vitro-Unter­suchung ergab, dass das hydrophile biokeramische System (EndoSequence BC Sealer) im Vergleich zum hydrophoben Goldstandard-System (Guttapercha/AH Plus) eine signifikant höhere Bruchresistenz aufwies9.

Revisionsverhalten: BC Sealer kann bei der endodontischen Revision nicht immer vollständig entfernt werden – in 20 % der Fälle ließ sich keine apikale Durchgängigkeit („patency“) er­reichen10. Bis dato ist kein Lösungsmittel für BC Sealer bekannt. Handfeilen und rotierende Revisionsfeilen können biokeramische Sealer nicht immer komplett entfernen, aber dies gilt auch für andere herkömmliche Sealer6.


Tab. 1 Biokeramische Wurzelkanalfüllmaterialien – Zwei-Komponenten-Produkte

Tab. 2 Biokeramische Wurzelkanalfüllmaterialien – vorgemischte, gebrauchsfertige Produkte

Produkte

Die Tabellen 1 und 2 geben einen Überblick über zurzeit erhältliche biokeramische Wurzelkanalfüllmaterialien. In Tabelle 1 sind Zwei-Komponenten-Produkte aufgeführt, und Tabelle 2 zeigt vorgemischte, gebrauchsfertige Produkte.

Klinische Fälle

Nachfolgend werden vier klinische Fälle präsentiert, bei denen ein biokeramisches Produkt (TotalFill BC Sea­ler) als Sealer, als retrogrades Verschlussmaterial bzw. für den Verschluss einer Perforation zum Einsatz kam. Alle Patienten wurden von Dr. Tom Schloss behandelt.

Fall 1

Die 48-jährige Patientin wurde zur Initialbehandlung an Zahn 47 (infizierte Nekrose, akute apikale Parodontitis) und zur Revisionsbehandlung an Zahn 46 (abgebrochenes Instrumentenfragment in der mesiobukkalen Wurzel, chronische apikale Parodontitis) überwiesen (Abb. 1). Nach Abschluss der Initialbehandlung an Zahn 47 wurde die Revisionsbehandlung an Zahn 46 eingeleitet. Im Anschluss an die Entfernung der alten Wurzelkanalfüllung und der Kalziumhydroxideinlage in der ersten Sitzung war das Fragment in der Kon­trollaufnahme deutlich erkennbar (Abb. 2).

In der zweiten Sitzung erfolgten neben der Verwendung von Handinstrumenten eine maschinelle Aufbereitung mit einem flexiblen NiTi-System (ProTaper Next, Fa. Dentsply Maillefer, Ballaigues, Schweiz) und eine ultraschallaktivierte Desinfektion mit 5,25%igem NaOCl (PUI, Irrisafe, Fa. Acteon, Merignac, Frankreich) und 15%igem EDTA. Es wurde versucht, das Fragment mit einem dünnen Ultraschalltip (Satelec P5 Newtron und Satelec ET25, Fa. Acteon) unter ca. 20-facher Vergrößerung (OPMI PROergo, Fa. Zeiss, Oberkochen) zu lösen, was aufgrund der apikalen Lokalisierung jedoch nicht gelang. Die Wurzelkanalfüllung erfolgte mit einem biokeramischen Werkstoff (TotalFill BC Sealer und BC Points) (Abb. 3).

Persistierende Beschwerden erforderten die zeitnahe Durchführung einer mikrochirurgischen Wurzelspitzen­resektion an der mesialen Wurzel. Beide Kanäle und der vorhandene Isthmus wurden mit Ultraschall (Satelec Newtron P5 und Jetip, Fa. B&L Biotech, Bala Cynwyd, USA) von retrograd aufbereitet. Das Fragment konnte dabei zum Großteil entfernt werden. Anschließend erfolgte die retrograde Wurzelkanalfüllung mit einem bio­keramischen Werkstoff (TotalFill BC Putty) (Abb. 4).

Nach rund einem Jahr zeigten sich eine vollständige knöcherne Ausheilung der Resektionshöhle an Zahn 46 und ein ebenfalls günstiger Verlauf an Zahn 47 (Abb. 5).

Fall 2

Die 50-jährige Patientin wurde zur Weiterführung der endodontischen Behandlung an Zahn 16 überwiesen. Die komplexe Anatomie mit einem hohen Krümmungs­winkel und einem engen Krümmungsradius der bukkalen Wurzeln erforderte ein sorgfältiges Instrumentieren, um Feilenfrakturen und iatrogene Veränderungen des Kanalverlaufs zu vermeiden (Abb. 6). Nach Erstellung eines manuellen Gleitpfades mit Handfeilen ISO 008 und 010 sowie elektronischer Längenmessung (Root ZX, Fa. J. Morita, Kyoto, Japan) wurde ergänzend ein maschineller Gleitpfad (Pathfiles, Fa. Dentsply Maillefer) instrumentiert. Sodann erfolgten unter intermittierender ultraschallaktivierter Irrigation die Aufbereitung der vier Wurzelkanäle (ProTaper Next) und die Füllung mit einem biokeramischen Werkstoff (TotalFill BC Sealer und BC Points). Mit dem anschließenden adhäsiven Verschluss wurde der Zahn für eine Krone vorbereitet (Abb. 7).

Bei der Röntgenkontrolle nach 6 Monaten konnte ein günstiger Heilungsverlauf bei völliger Beschwerde­freiheit beobachtet werden (Abb. 8).

Fall 3

Der 15-jährige Patient wurde aufgrund akuter Schmerzen nach einer Caries-profunda-Behandlung zur endodontischen Initialtherapie überwiesen. Bei Zahn 37 zeigten sich eine infizierte Nekrose und eine akute apikale Parodontitis (Abb. 9).

In zwei Sitzungen wurde die Wurzelkanalbehandlung abgeschlossen. Wie in den bereits vorgestellten Fällen erfolgte die Instrumentierung mittels elektronischer Längenkontrolle und intermittierender ultraschallaktivierter Desinfektion unter dem Operationsmikroskop (OPMI PROergo). Nach der Wurzelkanalfüllung (TotalFill BC Sealer) wurde ein adhäsiver Kompositaufbau durchgeführt (Abb. 10).

Zur Verlaufskontrolle nach zwei Jahren erschienen die periapikalen Läsionen vollständig ausgeheilt (Abb. 11).

Fall 4

Die 49-jährige Patientin wurde zur Weiterbehandlung überwiesen. Bei dem Versuch, das stark obliterierte Wurzelkanalsystem des Zahnes 36 zu erschließen, waren dem überweisenden Kollegen zwei Instrumente in den beiden mesialen Kanälen abgebrochen. Der erfolglose Versuch der Fragmententfernung endete mit einer Perforation im unteren Wurzeldrittel (siehe Mess­instru­ment in Abb. 12). Die Suche nach dem distalen Kanaleingang führte beinahe zur Perforation des Pulpakammer­bodens mit erheblichem Substanzverlust. Abbildung 12 zeigt die Röntgenaufnahme des Überweisers und Abbil­dung 13 die zu Beginn der Revisionsbehandlung erstellte Röntgenaufnahme.

In zwei Behandlungssitzungen erfolgte die Revision des Wurzelkanalsystems. Die Instrumentierung wurde mit Handfeilen und einem maschinellen NiTi- System (ProTaper Next) durchgeführt. Die Instrumentenfragmente konnten nur teilweise mit Ultraschall (Satelec ET25) entfernt werden. Für die Perforationsdeckung im mesiolingualen Kanal kam ein biokeramischer Werkstoff (TotalFill BC RRM) zum Einsatz. Mit dem gleichen System (TotalFill BC Sealer) wurde die Wurzelkanalfüllung vorgenommen. Danach erfolgte in gesonderter Sitzung die mikrochirurgische Wurzelspitzenresektion der mesialen Wurzel mit Ultraschallaufbereitung (Jetip) und vollständiger Entfernung der Fragmente von retro­grad. Die anschließende retrograde Wurzelkanalfüllung wurde mit TotalFill BC Putty durchgeführt (Abb. 14).

Nach rund eineinhalb Jahren war eine vollständige knöcherne Ausheilung der Resektionshöhle und im Bereich der Perforationsdeckung mit Ausbildung eines parodontalen Ligaments von normalem Durchmesser zu beobachten (Abb. 15).

Fazit

Die neuen biokeramischen Wurzelkanalfüllmaterialien erfüllen mit ihren Eigenschaften viele der von der Wissenschaft geforderten Kriterien, um den Anforderungen an eine optimale Obturation gerecht zu werden. Sie haben ähnliche Eigenschaften wie MTA, sind aber aufgrund ihrer Darreichungsform in der Handhabung MTA überlegen. In absehbarer Zeit werden sie ihren Stellenwert in der Endodontie sicherlich noch ausbauen. Dazu bedarf es jedoch in den kommenden Jahren mehr wissenschaftlicher Studien mit hohem Evidenzgrad (prospektive klinische Untersuchungen), um die momentanen Erkenntnisse weiter zu bestätigen. Dennoch sollte nicht vergessen werden, dass für eine perfekte Wurzelkanalbehandlung nicht nur die Obturation, sondern auch die davor durchzuführenden Maßnahmen (Trepanation, Gleitpfad, mechanische und chemische Aufbereitung) von größter Wichtigkeit sind und dass mit den herkömmlichen Wurzelkanalfüllmaterialien in den vergangenen Jahrzehnten gleichfalls hervorragende Ergebnisse erzielt werden konnten.

Ein Beitrag von Dr. med. dent. Jürgen Wollner und Dr. med. stom., M.Sc. Tom Schloss, beide Nürnberg

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Quelle: Die Quintessenz, Ausgabe 4/16 Endodontie Materialien

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