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Endodontisch bedingte Schmerzfälle und Abszesse im Kindes- und Jugendalter behandeln


Prof. Dr. Jan Kühnisch

Odontogene Infektionen, die von Milchzähnen ausgehen, sind trotz der verbesserten Zahngesundheit ein häufiges Ereignis im klinischen Alltag. In einem Übersichtsbeitrag für die Zeitschrift Endodontie 2/2018 stellt Autor Prof. Dr. Jan Kühnisch das Vorgehen bei der endodontischen Behandlung von Kindern vor. Aufgrund bestehender Limitierungen bei der Durchführung endodontischer Behandlungsmaßnahmen im Kindesalter ist die Extraktion schmerzverursachender beziehungsweise avitaler Milchzähne in der Regel das Vorgehen der Wahl. In der akuten Phase wird immer wieder die Indikation für eine Antibiotikagabe diskutiert. Unter Bezug auf die jüngsten Empfehlungen der European Society of Endodontology1 sowie die Leitlinie der Paul-Ehrlich-Gesellschaft2 beschränkt sich die Indikation für den Antibiotikaeinsatz auf odontogene Infektionen mit Ausbreitungstendenz beziehungsweise bereits eingetretener Mitbeteiligung benachbarter Logen. Phenoxymethylpenicillin ist das Antibiotikum der Wahl im Milchgebiss. Im Fall des bleibenden Zahnes beziehungsweise der antibiotisch vorbehandelten odontogenen Infektion wird die Gabe von Amoxillin/Clavulansäure favorisiert.

Fast jede zahnärztliche Maßnahme tangiert das endodontische System, und jährlich ca. zehn Millionen in Deutschland durchgeführte Wurzelkanalbehandlungen belegen den Stellenwert der Endodontie in der Zahnmedizin. Die Zeitschrift „Endodontie“ hält ihre Leser dazu „up to date“. Sie erscheint vier Mal im Jahr und bietet praxisrelevante Themen in Übersichtsartikeln, klinischen Fallschilderungen und wissenschaftlichen Studien. Auch neue Techniken und Materialien werden vorgestellt. Schwerpunkthefte zu praxisrelevanten Themen informieren detailliert über aktuelle Trends und ermöglichen eine umfassende Fortbildung. Die „Endodontie“ ist offizielle Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Endodontologie und zahnärztliche Traumatologie (DGET), des Verbandes Deutscher Zertifizierter Endodontologen (VDZE) und der Österreichischen Gesellschaft für Endodontie (ÖGE). Abonnenten erhalten kostenlosen Zugang zur Online-Version (rückwirkend ab 2003 im Archiv) und zur App-Version. Mehr Informationen zur Zeitschrift, zum Abonnement und kostenlosen Probeexemplaren im Quintessenz-Shop.


Einleitung

In der kindlichen Mundhöhle können Infektionen in unterschiedlichen anatomischen Strukturen beziehungsweise Geweben auftreten. Am häufigsten sind odontogene Infektionen, die ihren Ausgang durch eine Schädigung der Zahnhartsubstanz nehmen, in deren Folge eine Mitbeteiligung des Endodonts resultiert. Mit der irreversiblen Schädigung der Pulpa können Infektionen in das apikale Parodont, den alveolären Knochen sowie die Weichgewebe weitergeleitet werden (Abb. 1 bis 4). Im Fall persistierender oder progredienter Verläufe ist die Ausdehnung der Infektion in benachbarte Logen möglich, die dann als infra-orbitale, sub- oder perimandibuläre Schwellung imponieren (Abb. 5 und 6). Schluckbeschwerden sind Symptome einer weiteren Ausbreitung des entzündlichen Prozesses. Das Vorliegen eines Logenabszesses im Kieferbereich ist mit einer schweren gesundheitlichen Beeinträchtigung des kindlichen Patienten verbunden. In der Regel ist sie mit einem reduzierten Allgemeinzustand, einer eingeschränkten Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme und/oder Fieber vergesellschaftet. Dies erfordert eine rasche (zahn)ärztliche und gegebenenfalls auch interdisziplinäre Intervention, um weitere Komplikationen abzuwenden. Von odontogenen Infektionen sind Entzündungen beziehungsweise Infektionen des Zahnhalteapparats (Gingivitiden und Parodontitiden) abzugrenzen, die im Kindes- und Jugendalter einen Seltenheitswert haben. 

Die normale Mundflora besteht aus verschiedenen Bakterienspezies, wobei grampositive Erreger (beispielsweise Streptokokken), aber auch Anaerobier oder Aktinomyzeten in der Mundhöhle dominieren. Bei den Aerobiern sind vor allem orale Streptokokken und bei den Anaerobiern Porphyromonas, Prevotella- und Bacteroides-Arten, Veillonellen, Peptostreptokokken sowie Fusobakterien ursächlich an odontogenen Infektionen beteiligt. Die Mehrzahl dieser Erreger ist normalerweise gegen Penicillin G empfindlich.

Odontogene Infektionen

Im Kindes- und Jugendalter führt in der Regel eine kariöse Destruktion der Zahnhartsubstanz zur Infektion der Pulpa mit oralen Mikroorganismen, die zunächst als chronische Entzündung mit gering ausgeprägter klinischer Symptomatik imponiert. Wird dieser Prozess nicht gestoppt, ist der Übergang in eine akute Pulpitis absehbar, die mit Zahnschmerzen einhergeht. Spätestens mit Erreichen dieses Zustandsbildes spricht der Kliniker von einer irreversiblen Pulpitis, da mit heute verfügbaren Therapiemöglichkeiten keine Regeneration des Endodonts mehr möglich ist. Bleibt auch auf dieser Stufe eine Intervention aus, tritt ein vollständiger Funktionsverlust des Endodonts (Pulpanekrose) ein. Der weitere Ausbreitungsweg der Infektion erfolgt dann über das Foramen apicale in die benachbarten Gewebestrukturen, die zu einer osteolytischen Entzündung um die Wurzelspitze der bleibenden Zähne und einwurzligen Milchzähne führt, während an den Milchmolaren apikale und furkale Prozesse gleichermaßen aufgefunden werden (Parodontitis apicalis, Abb. 1). Im Fall der Progredienz können nachfolgend enossale, sub-periostale und submuköse Abszessphasen durchlaufen werden. Zunächst ist der infektiöse Prozess lokal auf den betreffenden Anteil des Alveolarfortsatzes begrenzt und durch eine zunehmende klinische Symptomatik gekennzeichnet. Insbesondere im Milchgebiss stellt die Spontaneröffnung in der submukösen Phase ein häufiges Szenario dar, welches zu einem raschen Abklingen der Symptomatik, der Chronifizierung der Entzündung mit einem Fistelgang führt, der mehrheitlich im Vestibulum diagnostizierbar ist (Abb. 4).

Odontogene Infektionen nehmen im Milchgebiss zumeist einen chronischen Verlauf mit geringer Ausbreitungstendenz. Bei Persistenz der Ursache sind auch akute Phasen zu beobachten. Der Zahnschmerz ist das Leitsymptom in der pulpitischen Phase, der in der Regel einem Milchzahn beziehungsweise einer Zahngruppe zugeordnet werden kann. Komplikationen werden durch Funktionseinschränkungen bei der Nahrungsaufnahme, Aufbissschmerz, Druckempfindlichkeit auf Reiz (apikale Druckdolenz) sowie das Vorhandensein einer Rötung und/oder Schwellung charakterisiert. Zu diesem Zeitpunkt der Erkrankung besteht eine Ausbreitungstendenz.

Häufigste Ursache für die Entstehung odontogener Infektionen und in der weiteren Folge odontogener Logenabszesse im Milchgebiss ist die frühkindliche Karies. Auch in der bleibenden Dentition ist die Karies nach wie vor die Hauptursache für odontogene Infektionen. Weiterhin können Unfallverletzungen der Zähne, erworbene oder genetisch bedingte Strukturstörungen der Zahnhartsubstanz (mit-)ursächlich für eine Mitbeteiligung des End­odonts sein. 

Die Diagnostik odontogener Infektionen erfolgt auf der Grundlage der Anamnese und klinischen Untersuchung. Im Einzelfall können als ergänzende diagnostische Parameter die Verifizierung der Pulpasensibilität sowie die Druckdolenz beziehungsweise Perkussionsempfindlichkeit sinnvoll sein. Da die Extraktion des Milchzahns mit irreversiblen Pulpitiden oder odontogenen Infektionen bis auf wenige Ausnahmen unvermeidlich ist, wird die Therapieentscheidung nicht durch die Anfertigung eines Röntgenbildes beeinflusst, dieses ist daher nicht in jedem Fall unverzichtbar. Demgegenüber ist die klinisch-röntgenologische Untersuchung bleibender Zähne mit pulpitischen Beschwerden oder Symptomen einer odontogenen Infektion eine diagnostische Standardprozedur.

Mit der Diagnose einer akuten Pulpitis beziehungsweise odontogen bedingten Entzündung des Milchzahns steht die Notwendigkeit der Akutversorgung außer Frage3. Die therapeutischen Möglichkeiten des (Kinder-)Zahnarztes werden dabei durch den Umfang und Ausprägungsgrad des Befundes, die Kooperationsbereitschaft des Kindes, die Möglichkeit der Applikation einer Lokalanästhesie oder Notwendigkeit einer Sedierung oder  Allgemeinanästhesie maßgeblich beeinflusst4. Letztlich ist ein individueller Therapieplan zu erstellen, der Aspekte der Akutversorgung (Lokalanästhesie, Trepanation, Inzision, Extraktion, gegebenenfalls Antibiose und/oder Analgesie) und der darüber hinaus an weiteren Zähnen notwendigen Elektivmaßnahmen (Diagnostik, Füllungstherapie, endodontische Maßnahmen, Extraktionen) adäquat berücksichtigt. Mit Blick auf die zu diskutierenden antibakteriellen Maßnahmen können folgende Regeln im Fall von endodontischen Komplikationen bzw. odontogenen Infektionen mit oder ohne Ausbreitungstendenz formuliert werden:

Chronische oder akute Pulpitiden beziehungsweise Pulpanekrosen bedürfen sowohl im Milch- als auch im bleibenden Gebiss im Kindes- und Jugendalter keiner Antibiose. Im Milchgebiss ist die Extraktion des betroffenen Zahnes das therapeutische Vorgehen der Wahl. In der bleibenden Dentition ist die endodontische Therapie indiziert.

Chronisch apikale Parodontitiden an Milchzähnen ohne Ausbreitungstendenz sowie fistelnde Milchzähne zeichnen sich durch das Fehlen klinischer Symptome aus und bedürfen ebenfalls keiner Antibiose. Im Milchgebiss ist die Extraktion und in der bleibenden Dentition die Trepanation und Wurzelkanalbehandlung das Vorgehen der Wahl.

Bei akuten apikalen Parodontitiden mit Ausbreitungstendenz – zu erkennen an der enossalen, subperiostalen oder submukösen Abszessphase – ist eine antibakterielle Therapie indiziert, sofern nicht mit der Trepanation, Inzision und/oder Extraktion eine ursachenbezogene Akutversorgung erfolgen kann.


Tab. 1 Übersicht regelmäßig in der Kinderzahnmedizin verwendeter Antibiotika zur oralen, antibakteriellen Therapie im Fall odontogener Infektionen. Im unteren Teil der Tabelle können die tagesbezogenen Einzeldosen in Relation zum Körpergewicht des Patienten abgelesen werden. Die farblich hervorgehobenen Felder illustrieren präferierte Rezeptierungen, da diese auch mithilfe von Messlöffeln (½ Messlöffel = 2,5 ml, 1 Messlöffel = 5 ml) dosierbar sind. Einige Hersteller liefern Antibiotika-Säfte mittlerweile mit einfach zu gebrauchenden, genauen Dosierspritzen aus. Die Einnahmedauer liegt zwischen 5 und 10 Tagen und sollte etwa zwei Tage über das etwaige Bestehen der Symptomatik hinaus kalkuliert werden.

Im Fall der Erstbehandlung einer odontogenen Infektion mit Ausbreitungstendenz ist Phenoxymethylpenicillin aufgrund des wahrscheinlich vorliegenden Erregerspektrums das Antibiotikum der Wahl im Milchgebiss4,5. Liegen antibiotisch vorbehandelte Infektionen oder Abszesse vor, sollten Inhibitor-geschützte Penicilline zum Einsatz kommen, beispielsweise in der Kombination aus Amoxicillin und Clavulansäure5. Diese gelten mittlerweile als Antibiotika der ersten Wahl in der bleibenden Dentition6. Details zur Dosierung können Tabelle 1 entnommen werden.

  • Bei Patienten mit einer Penicillinallergie wäre Clindamycin das Antibiotikum der Wahl. Details zur Dosierung können ebenfalls Tabelle 1 entnommen werden.
  • Die Antibiotikagabe sollte mindestens zwei Tage länger als die klinischen Symptome fortgeführt werden.

Logenabszesse, Phlegmonen und Osteomyelitiden

Unbehandelte odontogene Infektionen und Abszesse weisen ein erhöhtes Risiko auf, in benachbarte Logen vorzudringen, und können im ungünstigen Fall zu einer lebensbedrohlichen Mediastinitis führen. Als systemische Begleitsymptome gelten ein reduzierter Allgemeinzustand mit Fieber, Appetitlosigkeit und Abgeschlagenheit. Erreger sind in der Regel Streptokokken und Staphylokokken. Logenabszesse können in allen Altersphasen auftreten und erfordern eine umgehende therapeutische Intervention unter Einschluss chirurgischer (Inzision, Spülung und/oder Drainage) und endodontischer Therapiemaßnahmen (Trepanation, Reinigung, Spülung und Desinfektion des Wurzelkanals) in der bleibenden Dentition. Im Milchgebiss ist die Extraktion der verursachenden Zähne das therapeutische Vorgehen der Wahl. Zudem ist eine (hochdosierte) parenterale Antibiose indiziert, wenn die zuvor genannten Maßnahmen zu keiner (vollständigen) Entlastung geführt haben. Als Abszesslogen kommen folgende anatomische Regionen in Betracht: 

  • Fossa canina: Bei einem Abszess der Fossa canina imponiert eine intra- und extraorale Schwellung infra-orbital (Abb. 4). Oftmals liegt zudem eine Schwellung und Rötung des Unterlids vor. Als schwerwiegende Komplikation kann eine Thrombophlebitis der V. angularis mit nachfolgender Sinusvenenthrombose entstehen.
  • Sub- bzw. Perimandibularraum: Das typische Logengebiet für die Ausbreitung odontogener Infektionen im Bereich des Unterkiefers ist der Sub- bzw. Perimandibularraum (Abb. 5). Charakteristisch sind die extraorale Schwellung und fehlende, druckdolente Palpation des Unterkieferrandes.
  • Pterygomandibularraum: Kennzeichnend für einen pterygomandibulären Abszess bzw. Parapharyngealabszess sind starke Schluckbeschwerden und eine mitunter gravierend eingeschränkte bzw. schmerzhafte Mundöffnung. Klinisch imponieren eine Vorwölbung der lateralen Pharynxwand und eine Verschiebung der Uvula zur gesunden Seite.
  • Gesichtsphlegmone: Foudroyant verlaufende Infektionen mit ß-hämolysierenden ­Streptokokken oder das Übergreifen eines Abszesses können zu seltenen Phlegmonen im Kiefer- und Gesichts­bereich führen. Diese sind eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Allgemeingesundheit.

Die von infizierten Zähnen ausgehende Osteomyelitis des Kieferknochens ist ein seltenes, aber schwerwiegendes Krankheitsbild, das durch Fieber und Schmerzen charakterisiert ist. Betroffene sowie benachbarte Zähne können häufig gelockert und stark klopfschmerzhaft sein. Zudem können Sensibilitätsstörungen im Versorgungsgebiet des N. alveolaris inferior vorliegen. Osteomyelitiden können auch infolge von Extraktionen entstehen. Sie sind aufgrund der deutlich verbesserten Zahn- und Mundgesundheit im heutigen klinischen Alltag ein seltenes Ereignis. 

Die klinische Untersuchung besteht aus der Inspektion und Palpation der extra- und intra-oralen Weichteilregionen und wird durch die Erhebung des Zahnstatus ergänzt, um den oder die verursachenden Zähne einzugrenzen. Unter Verweis auf die chirurgische Sanierung der Osteomyelitis ist die röntgenologische Bildgebung Voraussetzung für die präoperative Einschätzung der Befundausdehnung und Therapieplanung. Neben der bedarfsgerechten Röntgendiagnostik, beispielsweise mithilfe eines Orthopantomogramms, kann die Ultraschall­untersuchung zur Therapieplanung beitragen. Eine intraoperative mikrobiologische Diagnostik zur Erregerbestimmung sollte vorgenommen werden, um mögliche Abweichungen vom typischen Erreger­spektrum zu diagnostizieren. Mit dem Abstrich sollte ein Antibiogramm angefertigt werden.

Logenabszesse sind ernste Entzündungen, die einen akuten und progredienten Verlauf genommen haben. Unter Berücksichtigung des foudroyanten Charakters ist mit der Vorstellung des Patienten eine unspezifische, gewichtsabhängige, hochdosierte parenterale Antibiose sofort einzuleiten. Parallel dazu muss die bildgebende Diagnostik und chirurgische Therapie mit der Abszessentlastung (Inzision, Spülung beziehungsweise Drainage) und/oder der Extraktion der ursächlichen Zähne umgesetzt werden. Mit Kenntnis des konkreten Erregerspektrums ist die unspezifisch begonnene systemische Antibiose gegebenenfalls anzupassen. Die akute Osteomyelitis erfordert gleichfalls die sofortige hochdosierte systemische Antibiotikatherapie unter stationären Bedingungen und gegebenenfalls die chirurgische Sanierung des infizierten Kieferanteils. Solange das Erregerspektrum nicht bekannt ist, sind Amoxicillin/Clavulansäure, Ampicillin/Sulbactam oder Clindamycin die parenteral zu verabreichenden Antibiotika der Wahl. Die Therapiedauer beträgt in der Regel zwei bis vier Wochen, wobei eine orale Antibiose bei klinischer Besserung, Entfieberung, Rückgang der Inflammationsparameter (CRP) erwogen werden kann. Zur oralen Therapie eignen sich wegen der guten oralen Bioverfügbarkeit gleichermaßen Amoxicillin/Clavulansäure, Ampicillin/Sulbactam sowie Clindamycin.

Aufgrund der erforderlichen Therapiemaßnahmen sollte die Aufnahme des Patienten in eine Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie in die Wege geleitet werden oder die Betreuung in einer Kinderklinik unter Einbeziehung eines MKG-Chirurgen beziehungsweise oralchirurgisch versierten Zahnarztes erfolgen. Im Einzelfall kann eine intensivmedizinische Begleitung indiziert sein.

Folgen odontogener Infektionen


Abb.7 Der erste obere Prämolar zeigt ausgeprägte Hypomineralisationen und eine Hypoplasie des Zahnschmelzes im Sinnes eines Turner-Zahnes, die durch eine akute bzw. chronisch apikale Entzündung des bereits extrahierten ersten Milchmolaren verursacht wurde.

Infolge odontogener Infektionen können lokale oder systemische Komplikationen auftreten. Zu ersteren zählen Turner-Zähne, die aufgrund einer odontogenen Infektion des Milchzahnes zu einer irreversiblen Schädigung der Ameloblasten an dem sich entwickelnden bleibenden Zahnkeim führen können (Abb. 7). Als dentale Strukturstörungen der bleibenden Zähne imponieren Opazitäten und Hypoplasien. Zeitpunkt und -dauer sowie die Schwere der odontogenen Infektion in Beziehung zum Entwicklungsstand des Zahnkeims bestimmen letztlich die Ausprägung der dentalen Strukturstörung. Das Belassen trepanierter Zähne kann diese Entwicklung ebenso begünstigen und ist daher obsolet. Odontogene Infektionen können aber auch zu einer systemischen Streuung von Mikroorganismen führen. Transiente Bakteriämien durch die orale Flora sind prinzipiell auch unter normalen Umständen, beispielsweise bei der Nahrungsaufnahme und der täglichen Mundhygiene möglich. Dies setzt jedoch das Vorliegen einer Gingivitis oder Parodontitis voraus. Im Fall eines Endokarditis-Risikos sind zahnärztliche Behandlungsmaßnahmen indikationsgerecht durch eine peri-operative Antibiotikagabe (Amoxicillin 50 mg/kg Körpergewicht) auch im Kindes- und Jugendalter zu begleiten. Zur Prävention möglicher Lückeneinengungen nach vorzeitigem Milchzahnverlust sollten indikationsgerecht lückenhaltende Maßnahmen ergriffen werden7.

Vorbeugung odontogener Infektionen 

Die Prävention odontogener Infektionen fokussiert auf alle Stadien der Kariesentwicklung. Dabei hat die Primärprävention Priorität. Dies wird durch eine zahngesunde Ernährung mit Verzicht auf den frequenten Konsum kariogener und erosiver Getränke und Lebensmittel, die Umsetzung einer systematischen Mundhygiene auch unter Einbeziehung der Eltern, sowie durch alters- und risikoadäquate Fluoridierungsmaßnahmen sichergestellt. Liegen bereits kariöse Läsionen oder andere therapierelevante Zahnhartsubstanzdefekte vor, muss der Ansatz der Primärprävention um die Sekundärprävention erweitert werden. Das heißt, vorhandene (kariöse) Defekte sind möglichst frühzeitig zu restaurieren, um die Funktion des Zahns mit einem vitalen Endodont langfristig zu sichern. Gleichfalls sind Zähne mit endodontischen Komplikationen zeitnah zu extrahieren, um lokale oder systemische Komplikationen zu vermeiden.

Ein Beitrag von Prof. Dr. med. dent. Jan Kühnisch, PD Dr. med. Dr. med. dent. Sven Otto, PD Dr. med. dent. Katharina Bücher, Dr. med. Jan Pfisterer, Prof. Dr. med. dent. Reinhard Hickel und Prof. Dr. med. dent. Roswitha Heinrich-Weltzien, alle München

Literatur


1. Bücher K, Pfisterer J, Heinrich-Weltzien R, Kühnisch J. Schmerz- und Notfallbehandlung in der Kinderzahnheilkunde. Quintessenz 2016;67:411–420.


2. Deutsche Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (DGMKG). Odontogene Infektionen. Version 1.0, 08.09.2016. AWMF Registernummer 007-006. 2016. http://www.awmf.org


3. European Society of Endodontology developed by: Segura-­Egea JJ, Gould K, Hakan Sen B, et al. European Society of Endodontology position statement: the use of antibiotics in endodontics. Int Endodont J 2018;51:20–25.


4. Harzer W, Hetzer G, Huth K. Indikation und Gestaltung von Lückenhaltern nach vorzeitigem Milchzahnverlust. Wissenschaftliche Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK), der Deutschen Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde (DGK) und der Deutschen Gesellschaft für Kieferorthopädie (DGKfO), 2004.


5. Kühnisch J, Heinrich-Weltzien R, Schäfer E. Endodontie im Milchgebiss. Wissenschaftliche Mitteilung der Deutschen Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde (DGK) und der Deutschen Gesellschaft für Zahnerhaltung (DGZ). Endodontie 2011;20:16–171.


6. Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie e.V. (PEG): Kalkulierte parenterale Initialtherapie bakterieller Erkrankungen bei Erwachsenen – Update 2018. S2k-Leitlinie. AWMF-Registernummer 082-006. Update 2018. http://www.awmf.org


7. Scholz V, Vogel F, Abele-Horn M, et al. Rationaler Einsatz oraler Antibiotika bei Kindern und Jugendlichen. Chemother J 2002;11:59–70.


Quelle: Endodontie, Ausgabe 2/18 Endodontie Zahnmedizin

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