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Zur präventiven und protektiven Wirkung von Fluorid in der begleitenden, nonoperativen Kariesprophylaxe


Prof. Dr. med. dent. Ulrich Schiffner

Die lokale Anwendung von Fluoridpräparaten auf der Zahnoberfläche sowie die Versiegelung von Fissuren und Grübchen sind herausragende Pfeiler der Kariesprophylaxe. Eine undifferenzierte Übertragung der dadurch erzielten Effekte auf die nonoperative Therapie nicht kavitierter kariöser Initialläsionen kann hieraus jedoch nicht ohne Weiteres abgeleitet werden. Prof. Ulrich Schiffer ordnet in seinem Beitrag für die Quintessenz den Einsatz klassischer Präventionsmaßnahmen bei oberflächlichen Kariesläsionen für die zahnärztliche Prophylaxe ein.

So ist die therapeutische Wirkung von fluoridhaltigen Zahnpasten bei beginnender, klinisch erkennbarer Karies nicht hinreichend durch klinische Studien belegt. Bei Applikation höher konzentrierter Fluoridlacke können Arretierungen oder in selteneren Fällen klinisch erkennbare Remineralisationen erzielt werden. Durch adäquat durchgeführte Fissurenversiegelungen kommt es regelhaft zur Arretierung der nicht kavitierten Initialkaries.

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Die Zahngesundheit in Deutschland hat sich infolge von Präventionsmaßnahmen in nur wenigen Jahrzehnten erheblich verbessert31,32. Parallel zu dieser Entwicklung kommt der Kariesfrüherkennung besonderes Augenmerk zu. Dabei ist es nicht das primäre Ziel, die in frühen Entwicklungsstadien detektierte Karies baldmöglich durch restaurative Maßnahmen zu beheben, sondern im Gegenteil unter stetem Monitoring angemessene Entscheidungen bezüglich geeigneter Therapiezeitpunkte und -verfahren zu finden. Das Konzept minimalinvasiver kariestherapeutischer Maßnahmen wird dabei zunehmend dahingehend weiterentwickelt, dass frühzeitig detektierte, nicht kavitierte kariöse Defekte ohne Anwendung invasiver Behandlungsschritte nonoperativ behandelt werden.

Unter nonoperativem beziehungsweise auch noninvasivem Karies­management werden Methoden verstanden, die direkt an den kausalen Faktoren der Karies angreifen und mit deren Hilfe eine fortgesetzte Demineralisation von Zahnhartsubstanz ohne einen behandlungsbedingten Verlust weiterer Zahnhartsubstanz gestoppt werden soll17,30. Als ein Entscheidungskriterium für einen Erfolg versprechenden nonoperativen Ansatz wird formuliert, dass keine Kavitation vorhanden sein darf17.

Für die nonoperative Therapie werden die etablierten und bewährten Maßnahmen der Kariesprävention herangezogen. Damit wird den Elementen der erfolgreichen Primärprävention eine weitergehende Rolle übertragen. Im Folgenden soll dargestellt werden, in welchem Ausmaß gesicherte Kenntnisse über die Eignung erprobter klassischer Präventionsmaßnahmen zur nonoperativen Anwendung bei nicht kavitierten kariösen Defekten vorliegen und ob der Kenntnisstand eine Indikationsausweitung rechtfertigt.

Fluoridhaltige Zahnpasten

Die bedeutende Rolle von Fluorid in der Kariesprävention wurde wiederholt in strukturierten Literatur­übersichten und Metaanalysen bestätigt. Für fluoridhaltige Zahnpasten gibt es wissenschaftliche Evidenz, dass ihre regelmäßige Anwendung kariespräventiv wirkt24,40. Dabei besteht zwischen der Fluoridkonzen­tration in der Zahnpasta und der Karieshemmung eine Dosis-Wirkungs-Beziehung: Höhere Konzentrationen bewirken eine verringerte Kariesentwicklung43.

Über die präventive Wirkung hinaus wird Fluorid auch ein positiver Effekt bei der frühen nicht invasiven Behandlung beginnender kariöser Läsionen zugesprochen. Diese Zuweisung geht auf die viel zitierte Studie von Backer-Dirks6 zurück, in welcher über einen Zeitraum von sieben Jahren ein Teil der ursprünglich initialkariösen Läsionen („white spots“) unverändert blieb und ein weiterer Teil so weit remineralisierte, dass er für das Auge nicht mehr erkennbar war.

Die Erwartung, dass fluoridhaltige Zahnpasten einen klinisch erkennbaren positiven Effekt auf initialkariöse Läsionen aufweisen würden, wird neben der erwähnten Studie vor allem aus einer großen Zahl von In-vitro- oder In-situ-Studien abgeleitet. Regelmäßig weisen Forscher dabei für fluoridhaltige Zahnpasten nach, dass eine Remineralisation stattfindet (zum Beispiel Mensinkai et al.27, ten Cate37, White und Featherstone45). Es muss herausgestellt werden, dass diese Remineralisationseffekte durchweg sehr frühe, für das Auge nicht sichtbare Stadien der Demineralisation der Zahnhartsubstanz betreffen2. Im Gegensatz hierzu existieren jedoch nur wenige In-vivo-Studien (zum Beispiel Lima et al.21), bei denen klinisch oder röntgenologisch darstellbare Initialläsionen allein durch Verwendung einer fluoridhaltigen Zahnpaste arretiert oder erkennbar remineralisiert wurden.

Fluoridhaltige Mundspüllösungen und Gele

Der karieshemmende Effekt fluoridhaltiger Spüllösungen wird differenziert betrachtet. So stellten Twetman et al.41 eine Wirkung von Fluoridspüllösungen bei Kindern, die regelmäßig fluoridhaltige Zahnpasten benutzen, in Frage. In einer anderen umfassenden Literatur­übersicht wurde hingegen eine Kariesreduktion durch Fluoridspüllösungen von 23 Prozent ermittelt23.

Patienten mit initialkariösen Defekten sind ausweislich dieser Läsionen Personen mit einem erhöhten Kariesrisiko, so dass Mundspüllösungen hier einen besonderen therapeutischen Effekt ausüben könnten. Die Studienlage bezüglich einer therapeutischen Wirkung von Fluoridspüllösungen ist jedoch begrenzt und zeigt keine klinischen Vorteile7,46.

Fluoridgelees, zumeist hochkonzentrierte Fluoridpräparate mit bis zu 12.500 ppm Fluorid, führen bei regelmäßiger Anwendung zu einer Hemmung des Karieszuwachses von 28 Prozent25. Auch über die therapeutische Wirkung von Fluoridgelen liegen Studien vor. Maltz et al.22 bestätigten einen deutlichen Effekt, während Truin und van’t Hof39 sowie Bonow et al.10 keine therapeutische Wirkung unterschiedlicher Fluoridgele auf Initialläsionen feststellen konnten, wenn zugleich andere Fluoridierungsmaßnahmen durchgeführt wurden. In einer ähnlichen Studie fanden Truin und van’t Hof38 zwar statistisch signifikante, klinisch aber als nicht relevant eingestufte therapeutische Effekte.

Fluoridlacke

Fluoridlacke sind in der Regel hochkonzentrierte Fluorid­präparate. Infolge der Adhäsion des Lackes an der Zahnoberfläche verbleibt der Wirkstoff dort über längere Zeiträume und kann deutliche karieshemmende Effekte entfalten. Die kariespräventive Wirkung der Lackanwendung liegt im bleibenden Gebiss bei 43 Prozent26 und ist mit einem hohen Evidenzgrad untermauert. Für das Milchgebiss konnten signifikante Karieshemmungs­raten von ca. 37 Prozent ermittelt werden26. Bei Kindern mit erhöhtem Kariesrisiko wurde im Milchgebiss zudem eine steigende Karieshemmung mit zunehmender Applikationsfrequenz des Fluoridlackes nachgewiesen44.

Zur therapeutischen Wirkung von Fluoridlacken liegen mehrere Untersuchungen vor. Gomez et al.15 fanden in einer 2-Jahres-Studie bei bemerkenswerten 88 Prozent der frühen Läsionen einen Stopp der Kariesprogression. Autio-Gold und Courts4 berichteten über eine Inaktivierungsrate (aus aktiven „white spots“ wurden inaktive „brown spots“) im Milchgebiss von 81,2 Prozent der Läsionen nach zweimaliger Fluoridlackapplikation. In einer 3-Jahres-Studie bei Vorschulkindern ermittelten Chu et al.12 eine Inaktivierungsrate von 66 Prozent. Andere Autoren hingegen kamen zu weniger überzeugenden Resultaten. So fanden Modéer et al.28 in einer klinischen 3-Jahres-Studie, dass eine vierteljährliche Fluoridlackapplikation gerade bei den Jugendlichen mit dem höchsten Kariesrisiko keine Verringerung der Kariesprogression bewirken konnte. In der Gesamtbewertung wird Fluoridlacken dennoch das Potenzial zugesprochen, initialkariöse Defekte effektiv auf nicht invasive Weise remineralisieren zu können19 (Abb. 1 bis 3).

Mineralisierungsmaßnahmen

Als Alternative zu Fluorid wurden verschiedene Substanzen mit dem Ziel einer Karieshemmung entwickelt. Hierzu zählt Casein-Phosphopeptid-stabilisiertes amorphes Calciumphosphat (CPP-ACP). Bezüglich der Karieshemmung liegen für diesen Wirkstoff In-­vivo-Studien vor, die neben einer kariespräventiven Wirkung auch remineralisierende oder kariesprogressionshemmende Effekte zeigen5,20,29. In Literaturübersichten kamen Tellez et al.36 jedoch zu der Schlussfolgerung, dass diese Effekte überwiegend statistisch nicht signifikant seien, und Li et al.20 wiesen mit Bezug auf „white spots“ auf widersprüchliche Ergebnisse hin, sofern fluoridhaltige Zahnpasten zur Anwendung gelangten. Im Hinblick auf Approximalkaries wurde in einer Studie zwar eine signifikante Progressions­reduktion ermittelt, die allerdings nur 1,1 Prozentpunkte ausmachte29. Eine Kariesregression konnte röntgenologisch zudem nur bei 0,4 Prozent der initialkariösen Approximalflächen im Vergleich zu 0,3 Prozent in einer Kontrollgruppe ohne CPP-ACP beobachtet werden.

Fissurenversiegelung

Die Versiegelung von Fissuren und Grübchen hat ein sehr hohes kariespräventives Potenzial. Systematische Übersichtsarbeiten haben dies mit guter bis starker Evidenz herausgearbeitet8,18,35,47. Das aktuelle Cochrane-Review zu dieser Thematik berechnet den kariespräventiven Effekt der Versiegelung in Abhängigkeit von der Karieslast in der untersuchten Kohorte mit einer Kariesreduktion von 11 bis 51 Prozent1.

Angesichts der hohen kariespräventiven Wirksamkeit der Versiegelung erscheint eine Ausweitung auf die noninvasive Therapie nicht kavitierter kariöser Ini­tialläsionen folgerichtig. Inzwischen liegen zu diesem Aspekt der Versiegelung viele Studien und Übersichtsarbeiten vor8,14,16. Übereinstimmend geht aus den Publikationen hervor, dass es bei den versiegelten initialkariösen Arealen zu einer Stagnation (Arretierung) der Karies kommt (Abb. 4 bis 6). Fontana et al.14 berichteten in einer über einen Beobachtungszeitraum von 44 Monaten durchgeführten Studie an Kindern mit hohem Kariesrisiko über eine vollständige Verhinderung der Kariesprogression bei versiegelten initialkariösen nicht kavitierten Fissuren, die röntgenologisch erkennbare Defekte zwischen der zweiten Schmelzhälfte und dem ersten Dentindrittel aufwiesen, sofern defekte Versiegelungen repariert wurden.

Die hohe Effektivität der Versiegelung von initialer Schmelzkaries wurde in einer Metaanalyse, die Studien mit einer Mindestdauer von 5 Jahren einschloss, mit einer Reduktion der Kariesprogression von 71,3 Prozent untermauert16. Die Autoren schlussfolgerten, dass die Versiegelung bleibender Zähne mit nicht kavitierten kariösen Läsionen effektiv die Kariesprogression reduziere. Amaechi3 formulierte sogar, die Versiegelung würde eine 100 %ige Effektivität der Kontrolle okklusaler Initialkaries ermöglichen, solange die Versiegelung intakt sei.

Diskussion

Der nonoperative Ansatz zur Behandlung initialer Kariesstadien greift auf Strategien der Kariesprävention wie zum Beispiel Fluoridierungsmaßnahmen oder die Versiegelung zurück. Insbesondere in frühen Stadien der Karies können nonoperative Therapieansätze wirksam werden. Dabei lassen sich an den Initialläsionen verschiedene Effekte dieser Maßnahmen erzielen, die von einer Verlangsamung der Kariesentwicklung („Progressionsreduktion“) über einen Stillstand (Stagnation, Arretierung) bis hin zur „Ausheilung“ (Reminerali­sation, Regression, engl. „reversal“) reichen. Unter formal vergleichenden Gesichtspunkten gegenüber Kontrollgruppen (keine Behandlung oder Placebobehandlung) können alle diese Ergebnisse als Erfolg gewertet werden. Unter klinischen Gesichtspunkten hingegen sollte vorrangig die Arretierung oder die dokumentierte Remineralisation als Interventionserfolg gelten, da hierdurch operative Maßnahmen verhindert und nicht lediglich hinausgezögert werden.

Die Annahme einer weitgehenden oder vollständigen Remineralisation dank Fluorid beruht zum großen Teil auf In-vitro- oder In-situ-Studien48. Diese zeigen in der Mehrzahl eine Verringerung der Defektprogression durch Fluorid auf. Die Studien werden durch einzelne klinische Arbeiten gestützt36, doch ist die Datenlage unter dem Gesichtspunkt der wissenschaftlichen Evidenz mit Bezug auf randomisiert durchgeführte Stu­dien schwach34. Insbesondere gibt es nur ein eingeschränktes Wissen über die therapeutische Wirkung von Fluorid bei sichtbaren initialkariösen Läsionen. Ini­­tialkaries ist Ausdruck eines Ungleichgewichts an der Zahnoberfläche zugunsten der Demineralisation. Fluorid verschiebt dieses Ungleichgewicht in Richtung Remineralisation. Ob es dadurch jedoch zu einer klinisch oder röntgenologisch darstellbaren Remineralisation kommt, hängt von allen an der Zahnoberfläche einwirkenden Faktoren zu­sammen ab. In diesem Zusammenspiel vieler Faktoren erscheint es naheliegend, dass durch den alleinigen Einsatz fluoridhaltiger Zahnpasten in der klinischen Be­trachtung kaum Erfolge der nonoperativen Kariesthera­pie dokumentiert sind, zumal auch die Initialläsionen in der Regel in Phasen der mehr oder weniger adäquaten Anwendung fluoridhaltiger Zahnpasten entstanden sein dürften.

Aus den genannten Gründen herrscht eine relative Unsicherheit über die therapeutischen Fluorideffekte von Zahnpasten. Für fluoridhaltige Mundspüllösungen wurde ebenfalls keine eindeutige kariestherapeutische Wirkung in derartigen Studien gefunden41, und der Beitrag von Fluoridgelen zur nonoperativen Kariestherapie wird widersprüchlich beurteilt10,22,39. Schließlich fehlen Studien, die zur remineralisierenden klinischen Effektivität von Strategien zur Mineralisierung der Zahnoberfläche ohne Fluorid aussagekräftige Schlussfolgerungen erlauben2. Einzig die Anwendung höher konzentrierter Fluoridlacke hat an Glattflächen in hohem Maße zumindest Arretierungen, darüber hinaus aber auch „Reversals“ der initialkariösen nicht kavitierten Defekte bewirkt3,15,19.

Als Grund für die unterschiedlichen Resultate verschiedener Studien ist anzuführen, dass bei der Inaktivierung oder Remineralisierung initialkariöser Defekte der Plaquekontrolle eine entscheidende Rolle zukommt. Nur unter dieser Voraussetzung kann Fluorid seine therapeutische Wirkung entfalten17. Bei konsequenter Mundhygiene ist die Bedeutung des Fluorids im Hinblick auf die Arretierung aktiver Initialläsionen zudem vergleichsweise gering13. Das Erfordernis zumindest einer verbesserten Mundhygiene bedeutet aber, dass bei den betroffenen Patienten eine deutliche Verhaltensänderung weg von dem bislang zur Initialkaries führenden Mundhygiene- und Ernährungsverhalten erfolgen muss3,42. Diese Voraussetzung macht die Anwendung von Fluorid mit dem erklärten Ziel, Demineralisationsareale optisch verschwinden zu lassen oder zumindest zu verkleinern, im Ergebnis nicht vorhersagbar.

Eine Reihe von Arbeiten hat sich mit der Thematik der Remineralisation von White-Spot-Läsionen befasst, die im Zusammenhang mit kieferorthopädischen Behandlungen entstanden sind. Sie zeigen in der Regel nach Entbänderung und unter Einsatz von fluoridhaltigen Zahnpasten, CPP-ACP-Zubereitungen oder Mundspüllösungen einen Rückgang der Läsionen9. Dieser Rückgang kann jedoch nicht zweifelsfrei auf die Anwendung der Präparate bezogen werden, da die mit der Entbänderung verbundene Entfernung einer Kariesprädilektionsstelle einen bedeutenden eigenständigen Einfluss auf den lokal vorhandenen Saldo von de- und remineralisierenden Faktoren darstellt. Somit ist nicht zu ermitteln, welchen Anteil an der Reduktion von White-Spot-Läsionen die Entbänderung per se oder die Fluorid- bzw. Mineralapplikation hat.

Der arretierende Effekt suffizienter Versiegelungen von initialkariösen Läsionen ist vielfach bestätigt worden. Dabei wird die Indikation der Versiegelungen nicht mehr nur auf die augenscheinliche Begrenzung einer Initialläsion auf den Zahnschmelz, sondern auf jegliche nicht kavitierte Initialkaries an Fissuren und Grübchen bezogen8,11,18,35,47. Andere Autoren dehnen die therapeutische Indikation der Versiegelung noch weiter aus und beziehen initiale kavitierende Läsionen ein33,42. Die Studienlage für ein derartiges Vorgehen muss zurzeit allerdings als unzureichend betrachtet werden18.

Schlussfolgerungen

Als effektiv ausgewiesene kariespräventive Maßnahmen können nicht automatisch als effektiv bei der nonoperativen Kariesbehandlung nicht kavitierter Initialläsionen angesehen werden.

  • Alle nicht invasiven Ansätze zur Therapie der ini­tialen Karies müssen mit deutlichen Verhaltens­änderungen der Patienten einhergehen, um eine Plaquekontrolle zu erzielen.
  • Durch die alleinige Anwendung fluoridhaltiger Zahnpasten können an klinisch oder röntgenologisch erkennbaren Initialdefekten keine klinisch oder röntgenologisch dokumentierbaren Behandlungseffekte erzielt werden.
  • Es gibt Evidenz, dass Fluoridlacke in der Lage sind, nicht kavitierte Initialkaries an Glattflächen zu arretieren oder zu remineralisieren.
  • Es fehlen aussagekräftige klinische Studien zur remineralisierenden klinischen Effektivität von Strategien zur Mineralisierung der Zahnoberfläche ohne Fluorid.
  • Es besteht starke Evidenz, dass die Versiegelung geeignet ist, eine nicht kavitierte Initialkaries an Fissuren und Grübchen zu arretieren.

Tab. 1 In In-vivo-Studien nachgewiesene Effekte der noninvasiven Kariestherapie bei nicht kavitierter Initialkaries.

Klinisch können die nicht invasiven Maßnahmen der Fluoridlackapplikation und der Fissurenversiegelung am selben Zahn kombiniert werden (vgl. Abb. 3). Tabelle 1 fasst die arretierenden oder remineralisierenden Effekte der noninvasiven Maßnahmen bei nicht kavitierten kariösen Initialläsionen zusammen, wobei das Erzielen von Progressionsreduktionen nicht mit aufgeführt ist.

Ein Beitrag von Prof. Dr. med. dent. Ulrich Schiffner, Hamburg

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Quelle: Quintessenz Zahnmedizin, Ausgabe 1/18 Prävention und Prophylaxe Zahnmedizin

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