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Multimorbidität ist nicht nur bei älteren Patienten ein Thema für den Zahnarzt

Die steigende Zahl von Patienten mit mehr als einer chronischen Erkrankung stellt Zahnärzte nicht nur bei chirurgischen Eingriffen vor neue Herausforderungen – und dies nicht nur bei der Behandlung. „Zahnärzte müssen hier neue Koordinationsaufgaben bewältigen. Die größte Herausforderung steckt aber in den Schnittstellenproblemen mit anderen ärztlichen Disziplinen, vor die uns diese Patienten stellen“, konstatierte Prof. Dr. med. dent. Jochen Jackowski (Uni Witten/Herdecke).

In seinem Vortrag auf dem Häupl-Kongress „Patientenorientiertes Networking in der ZMK“ am 2. März 2018 in Köln bot er einen fundierten Aufriss zu diesem komplexen Thema. Er machte klar, dass Multimorbidität keine Frage des Alters sei, auch wenn sie im Alter zunehmen. Immerhin 10 Prozent der Kinder litten unter mehr als einer chronischen Erkrankung mit Begleitsymptomen und Syndromen. „Sie haben heute eine hohe Wahrscheinlichkeit, multimorbide Patienten in der Praxis zu haben“, so Jackowski.

Mit dem Komplex der rheumatischen Erkrankungen bei implantologischen Eingriffen befasst sich der Fachbeitrag von Prof. Dr. med. dent. Jochen Jackowski, Witten/Herdecke, Dipl.-Biol. Dr. med. Elmar Schmitz-Bortz, Hattingen, und Prof. Dr. med. Hendrik Terheyden, Kassel,„Zur Problematik oraler Implantate bei rheumatischen Erkrankungen“ aus der Zeitschrift „Implantologie“ 4/2012.


„Alltagspatienten“ mit Diabetes, KHK und Übergewicht


Prof. Dr. Jochen Jackowski, Uni Witten/Herdecke, sprach auf dem Häupl-Kongress über Multimorbidität und zahnärztlichen Chirurgie. (Foto: QN)

Zwar fehle es an einer einheitlichen Definition des Begriffs und Zustands Multimorbidität, praktikabel sei aber, bei zwei oder mehr chronischen Erkrankungen mit Begleitsyndromen von Multimorbidität zu sprechen. Wie schnell „Alltagspatienten“ in diese Kategorie fallen können, machte Jackowski mit einer kleinen Tabelle der häufigsten Allgemeinerkrankungen deutlich. Hypertonie, metabolisches Syndrom (Übergewicht) und Diabetes seien weit verbreitet, Koronare Herzkrankheiten ebenso, und treten häufig in Kombination auf.

Prävalenz der Polypharmazie bei bis zu 50 Prozent

Diese Multimorbidität treffe dann auf die Polypharmazie: Deren Prävalenz liegt laut Jackowski schon bei bis zu 50 Prozent. Auch hier fehle eine einheitliche Definition, aber bei mehr als fünf Medikamente pro Monat könne man berechtigt von Polypharmazie sprechen – mit allen Folgen, die dies durch Interaktionen und Komplikationen wie mangelnder Einnahmecompliance, zu geringer Flüssigkeitsaufnahme und Selbstmedikation habe.

Neue Antikoagulantien mit längerer Wirkdauer

„Und hier gehen wir mit unseren Medikamenten rein – mit Lokalanästhetika, Analgetika, Antibiotika“, erinnerte er. Gerade bei chirurgischen Eingriffen brächten neue Präparate wie neue Antikoagulantien auch neue Probleme. Ihre Wirkdauer nach Absetzen sei gerade bei älteren Patienten wegen einer altersbedingt veränderten Nierenfunktion deutlich verlängert. „Die Blutungsneigung nimmt dann nicht schon nach 24 Stunden, sondern erst nach 30 oder gar 72 Stunden so ab, dass ein oralchirurgischer Eingriff möglich wird“, berichtete Jackowski. Problematisch seien bekanntermaßen Bisphosphonate, aber auch für den Patienten scheinbar harmlose „Naturpräparate“ wie Johanniskraut zur Stimmungsaufhellung könnten zu lebensbedrohlichen Interaktionen führen.

Multimorbide Patienten seien immer Risikopatienten, bei denen vor zahnärztlichen Eingriffen eine allgemeinmedizinische Abklärung nötig sei und eine entsprechende Nachsorge gegeben sein müsse. Fehle beim Patienten die Compliance und Einsichtsfähigkeit oder die Nachsorge, müsse er als Problempatient eingestuft werden, dessen Behandlung in einer niedergelassenen Praxis gut überlegt sein sollte.

Noch keine retrospektiven Studien

„Woran es uns aber wirklich fehlt, sind retrospektive Studien zu den Folgen und Erfolgen unserer Eingriffe bei multimorbiden Patienten“, mahnte Jackowski an. Eine solche Studie ist jetzt auch in Zusammenarbeit mit der Universität Witten/Herdecke in Vorbereitung. Hinweise geben kann auch eine große Studie zu Lupus erythematodes, die LuLa-Studie, die von der Universität Düsseldorf betreut wird.

Und nicht zuletzt stelle es Zahnärzte auch vor ethische Fragen, wenn schwerkranke, multimorbide Patienten behandelt werden müssen – oder möchten, wie Jackowski am Beispiel eines schwer an Krebs erkrankten Patienten schilderte, der sich eine implantatgetragene prothetische Versorgung wünschte. Der Fall wird in einer der nächsten Ausgaben der Zeitschrift „Implantologie“ veröffentlicht werden. MM

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