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Eine interdisziplinäre Aufgabe in der Zahnmedizin

Etwa 4 Millionen Menschen sind in Deutschland von einer Seltenen Erkrankung betroffen5. Erkrankungen gelten in der Europäischen Union dann als „selten“, wenn weniger als einer von 2.000 Menschen daran erkrankt ist2. Von den weltweit bekannten 7.000 bis 8.000 Seltenen Erkrankungen können ca. 15 % orofaziale Beteiligungen aufzeigen7. Diese können neben Anomalien der Zahnhartsubstanz und der oralen Weichgewebe auch kraniofaziale Fehlbildungen wie die Lippen-Kiefer-Gaumenspalte sowie Dysgnathien beinhalten4.

Bisher existieren meist nur wenige Informationen zu Seltenen Erkrankungen und ihren individuellen, zahnmedizinischen Fragestellungen. Ziel dieses Projektes ist es daher, ein webbasiertes Register zur Erfassung orofazialer Manifestationen bei Seltenen Erkrankungen (ROMSE) zu etablieren, welches Ärzten, Zahnärzten, Betroffenen und Angehörigen als Informationsquelle dienen soll.

Material und Methode

Seit 2011 werden gezielt Datenbanken (Orphanet, e-medicine, Gene-Clinics, EMA, OMIM), die Medline, medizinische Fachliteratur und „graue Literatur“ zur Erfassung Seltener Erkrankungen gesichtet und mit Fokus auf deren Manifestationen im Zahn-, Mund- und Kieferbereich ausgewertet. Die erfassten Erkrankungen werden seither in das ROMSE-Register, welches unter http://romse.org abrufbar ist, eingearbeitet. Auf der Grundlage eines  Literaturreviews zu jeder einzelnen seltenen Entität wurde zudem damit begonnen, sukzessive die fachgebietsbezogene Literatur im Register zu hinterlegen.

Fallbeispiel

Im vorliegenden Fallbeispiel handelt es sich um ein Brüderpaar (12 bzw. 20 Jahre) mit einer seltenen, autosomal-dominant vererbten, hypohidrotischen Form der Ektodermalen Dysplasie (Abb. 1-4). Die ektodermalen Dysplasien umfassen eine heterogene, kongenitale Krankheitsgruppe mit entwicklungsbedingten Dystrophien ektodermaler Strukturen9. Über 200 verschiedene Konditionen wurden bisher beschrieben. Als klinische Leitsymptome treten typischerweise Hypohidrose, Hypotrichose und Hypodontie auf1,3,6.

Durch die Hypodontie als häufigste orofaziale Manifestation fällt dem Zahnmediziner eine besondere Rolle zu, in welcher er möglicherweise als einer der ersten medizinischen Ansprechpartner einen Beitrag zur Diagnose leisten kann8. Die Weiteren, möglichen orofazialen Manifestationen wie Spaltbildungen, Zahnretentionen und der Verlust der vertikalen Kieferrelation verdeutlichen die interdisziplinäre Herausforderung innerhalb der Zahnmedizin.

Ist die Diagnose einer Ektodermalen Dysplasie gestellt, müssen zumeist alle Fachgebiete der Zahnmedizin an der oralen Rehabilitation des Patienten mitwirken, um neben der mundbezogenen Gesundheit einen Beitrag zur positiven psychosozialen Entwicklung der Betroffenen zu leisten.

Ergebnisse: Bisher konnten 423 Seltene Erkrankungen mit orofazialen Manifestationen identifiziert werden. Von diesen zeigen 138 Erkrankungen oder Syndrome Dysgnathien, 137 der analysierten Seltenen Erkrankungen können mit Spaltbildungen auftreten. Jede dieser registrierten Erkrankungen wurde mit einer  medizinischen Krankheitsbeschreibung, einer Auflistung der orofazialen Manifestation(en) und dazugehörigen fachgebietsbezogenen Publikationen dargestellt (Abb. 5). Eine Zuordnung in Kategorien ermöglicht zudem eine Suche im Register allein anhand der klinischen Symptomatik (Abb. 6).

Schlussfolgerungen: Seltene Erkrankungen und ihre Symptome stellen besonders die Kieferorthopädie vor hohe Anforderungen in der Therapie. Mit dem Aufbau eines „Registers zur Erfassung orofazialer Manifestationen bei Menschen mit Seltenen Erkrankungen-ROMSE“ soll eine fachliche Plattform bereitgestellt werden, auf deren Grundlage innerhalb der Zahnmedizin interdisziplinär Therapiestrategien beraten und weiterentwickelt werden können.

L. Hanisch, M. Hanisch, K. Benz und J. Jackowski

Literatur


1. Dall'Oca S, Ceppi E, Pompa G, Polimeni A.X-linked hypohidrotic ectodermal dysplasia: a ten-year case report and clinical considerations. Eur J Paediatr Dent. 2008 Dec; 9 (4 Suppl):14-8.


2. Europäisches Parlament, Rat der Europäischen Union: Verordnung (EG) Nr. 141/2000.


3. Mikkola ML. Molecular aspects of hypohidrotic ectodermal dysplasia. Am J Med Genet A. 2009 Sep; 149 A (9):2031-6.


4. Jackowski J, Hanisch M. Orofaziale Manifestationen bei 2006 seltenen Erkrankungen- ein vorläufiger systematischer Literaturreview. Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift 2012;67(6).


5. Nationaler Aktionsplan für Menschen mit Seltenen Erkrankungen: Handlungsfelder, Empfehlungen und Maßnahmenvorschläge. BMG, BMBF, ACHSE e.V. 2013.


6. Ramesh K, Vinola D, John JB. Hypohidrotic ectodermal dysplasia - diagnostic aids and a report of 5 cases. J Indian Soc Pedod Prev Dent. 2010 Jan-Mar; 28(1):47-54.


7. “Among 5.000 known genetic rare diseases approximately 700 harbor dental, oral or craniofacial components”. John Hopkins University (2011): OMIM – Online Catalog of Human Genes and Genetic Disorders. www.ncbi.nlm.nih.gov/omim


8. Vasconcelos Carvalho M, Romero Souto de Sousa J, Paiva Correa de Melo F, Fonseca Faro T, Nunes Santos AC, Carvalho S, Veras Sobral AP. Hypohidrotic and hidrotic ectodermal dysplasia: a report of two cases. Dermatol Online J. 2013 Jul 14;19(7).


9. http://www.orpha.net „Ektodermales Dysplasie-Syndrom“. Download vom 29.09.2015


Quelle: International Poster Journal, Ausgabe 4/16 Interdisziplinär Zahnmedizin Kieferorthopädie

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