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Aktuelle Erkenntnisse bescheinigen regeneratives Potenzial, aber klinisch keine osteogene Potenz nach Elevation


PD Dr. med. Dr. med. dent. Andreas Stricker, Universitätsklinikum Freiburg

Die Rolle des Periosts in der dentalen Implantologie wird in der Literatur kontrovers betrachtet. Meist wird dem Periost des Kiefers eine osteogene Potenz zugeordnet, ohne dass diese Eigenschaft biologisch hinterfragt wird. Bei genauerer Betrachtung scheint die embryologische Herkunft und das Alter des Periosts eine erhebliche Rolle zu spielen. Neueren Studien zufolge verliert das Kiefer­periost durch Alterung seine osteogene Potenz. Des Weiteren werden durch die Ablösung des Periostes an der Knochenoberfläche Resorptionen induziert. Es können berechtigte Zweifel gegen das Dogma, dass das Periost in der periimplantologischen Augmentation die beste Membran darstelle, erhoben werden. Die aktuelle Literatur unterstützt eher das Bild einer periostogenen Potenz des neu etablierten Knochens. In einem Beitrag in der Implantologie 1/2018 stellen PD Dr. Dr. Andres Stricker, Prof. Dr. Dr. Ralf Gutwald, Dr. Nils Weyer und Dr. rer. nat. Emil Endreß aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse zur Bedeutung des Periosts für den Knochenstoffwechsel und in der Folge Empfehlungen für die Behandlung des Periosts in der oralen Implantologie vor.

In keiner anderen Disziplin der Zahnmedizin schreitet die Entwicklung so schnell voran wie in der Implantologie. Ziel der Zeitschrift ist es, dem Fortbildungsangebot im Bereich der Implantologie durch die Veröffentlichung praxisbezogener und wissenschaftlich untermauerter Beiträge neue und interessante Impulse zu geben und die Zusammenarbeit von Klinikern, Praktikern und Zahntechnikern zu fördern. Mehr Infos zur Zeitschrift, zum Abo und zum Bestellen eines kostenlosen Probehefts finden Sie im Quintessenz-Shop.


Als funktionelles Bindeglied ermöglicht das Periost die Kraftübertragung von den Muskeln auf das Knochengerüst. Es ist in zwei Schichten aufgebaut1: Aus der äußeren kollagenreichen fibrösen Schicht sprießen Sharpey‘sche Fasern in den Knochen2 und sorgen für mechanische Stabilität. Die innere Kambiumschicht trägt während des Wachstums neben mesenchymalen Progenitorzellen auch Osteoblasten und Fibro­blasten und besitzt ein regeneratives Potenzial. Sie wird jedoch mit zunehmendem Alter dünner und weist am erwachsenen Knochen keine Osteoblasten mehr auf1. Als differenzierbare Zellen bleiben wenige Progenitorzellen in einer einzelllagigen Kambiumschicht3 sowie Perizyten in Verbindung mit den Gefäßendothelzellen übrig1,4. In welche Richtung diese Zellen differenzieren, ist an dieser Stelle noch nicht vorgegeben3. Wie der Übersichtsartikel zeigen soll, wird das regenerative Potenzial des adulten Kieferperiosts, das nach einer Verletzung beziehungsweise einem chirurgischen Eingriff eleviert wurde, vermutlich überschätzt.

Tierexperimentelle Untersuchung

An zwölf Göttinger Minischweinen wurde der Einfluss der Periostelevation untersucht5. In der Kontrollseite wurde durch Präparation eines Mukoperiostlappens die bukkale Lamelle vollständig denudiert (MPF-Gruppe, Abb. 1 bis 5). Auf der Testseite erfolgte die Präparation eines Mukosalappens, hier wurde das Periost an der bukkalen Lamelle belassen (­MF-Gruppe, Abb. 6 bis 10). Nach Bone-Splitting und Aufdehnung der bukkalen Lamelle (siehe Abb. 2 und 7) wurden Implantate mit der Schulter auf Knochenniveau in den Spalt gesetzt (siehe Abb. 3 und 8). 

Nach einer Einheilzeit von sechs und zwölf Wochen erfolgte die histologische und histomorphometrische Analyse an acht respektivevier Tieren (siehe Abb. 4, 5 und 9, 10). Vermessen wurden das vertikale Knochenniveau mit höchstem knöchernen Kontakt an der Implantatoberfläche, die bukkale Knochenbreite auf Höhe der Implantatschulter (W0) sowie 2 mm (W2) und 4 mm apikal (W4) davon und der prozentuale Knochen-Implantat-Kontakt (BIC).

Postoperativ gingen in der MPF-Gruppe vier der 16 Implantate verloren, während in der MF-Gruppe alle 16 Implantate osseointegriert waren. 

In der histologischen und histomorphometrischen Analyse zeigte sich nach sechs Wochen ein signifikant besserer Erhalt des Knochenniveaus in der MF-Gruppe im Vergleich zur MPF-Gruppe sowohl bukkal als auch lingual (P < 0,001).

Die bukkale Knochendicke an der Implantatschulter war größer in der MF-Gruppe verglichen mit der MPF-Gruppe (P < 0,001). Nach zwölf Wochen war der Knochen signifikant höher in der MF-Gruppe gegenüber der MPF-Gruppe. 

Somit konnte geschlussfolgert werden, dass in diesem Bone-Splitting-Modell der bukkale Knochen signifikant besser erhalten war, wenn das Periost an der bukkalen Lamelle belassen wurde5.

Klinische Falldarstellung

Gerade bei komplexen implantologischen Eingriffen ist es wichtig, im Rahmen der Freilegungsoperation das Periost um die augmentierten Implantate so intakt wie möglich zu belassen. Im vorliegenden klinischen Fall wurde bei hochgradiger Alveolarkammatrophie im Oberkiefer umfassend vertikal und transversal mit Knochen­blocktransplantaten aus der Beckenschaufel augmentiert (Abb. 11 und 12). Im Vorfeld dieses Eingriffs wurde mit virtueller Implantatplanung (CoDiagnostix, Fa. Dental Wings, Chemnitz) die Implantatposition für eine teleskopgetragene abnehmbare Vollprothese festgelegt. Nach drei Monaten wurde bei neu geschaffenen vertikalen und horizontalen Dimensionen die geplante Implantatposition mittels Navigationsschablone intraoperativ bei der dann durchgeführten enossalen Implantation übertragen (siehe Abb. 14 und 15).

Nach weiteren drei Monaten der Implantateinheilung wurde sorgfältig bei der Freilegungsoperation darauf geachtet, das Periost um die augmentierte Implantatregion intakt zu lassen, um chirurgisch initiierte Resorptionsprozesse im Augmentationsbereich zu minimieren (siehe Abb. 17). Die Verbreiterung der defizitären keratinisierten Gingiva erfolgte mittels freier Schleimhauttransplantate (siehe Abb. 18). Nach weiteren sechs Wochen wurden die Implantate mit Teleskopen versorgt.

Die klinische Kontrolle nach drei Jahren zeigt stabile befestigte Schleimhaut um die Teleskope, die mit okklusionsgerechter abnehmbarer Vollprothese gut zu reinigen sind (s. Abb. 3i). Die radiologische Aufnahme zeigt drei Jahre nach Implantatversorgung eine stabile perimplantäre Situation des Hartgewebes (siehe Abb. 20).

Diskussion

Osteogenese

Für das Wachstum des Knochens spielt das Periost vor allem in der perichondralen Ossifikation eine Rolle, so um Beispiel in der embryonalen Wachstumsphase oder bei der Kallusbildung nach Knochenfraktur. Der Gesichtsschädel und die Mandibula unterliegen größtenteils der desmalen oder direkten Osteo­genese. Tierexperimentell konnte gezeigt werden, dass Periostzellen je nach Körperregion ein unterschiedliches Regenerationspotenzial besitzen6. Im Mausmodell sorgten Periostzellen aus der Mandibula in der Tibia für eine desmale Ossifikation, während Periostzellen aus der Tibia in der Madibula für eine chondrale Ossifikation sorgten6. 

Bei der desmalen Knochenbildung gehen im mesenchymalen Bindegewebe unter Verdichtung Osteoblasten hervor, die Osteoid (90 Prozent Kollagen I) sezernieren, welches anschließend mineralisiert wird7. Einige der Osteoblasten werden eingekapselt und differenzieren zu Osteozyten, die den Knochenstoffwechsel mitregulieren, während gleichzeitig Blutgefäße einwachsen und weitere Mesenchymzellen zu Knochenmarkszellen differenzieren7. Dieser zunächst spongiöse Verbund verdichtet sich und verbraucht osteogenes Bindegewebe, bis es an der Oberfläche schließlich zur Ausbildung der Kompakta kommt7. An der Oberfläche verbleiben nicht ossifizierende Bindegewebeschichten, die schließlich zu Periost werden7.

Alterung

Faktoren wie Belastung, Alter, Stoffwechsel, Erkrankungen etc. haben offenbar Einfluss auf die Periostbeschaffenheit. Die Sharpey‘schen Fasern dringen im jungen Gewebe steil und tief in den Knochen ein, zum Teil auch bis in die Spongiosa2. Sie fixieren das Periost ähnlich wie das parodontale Ligament den Zahn am Knochen. Eventuell wirken sie mechanisch auf Knochenzellen und damit regulierend für den Knochenstatus und auch zum Schutz vor Überlastung. Im Alter nehmen der Anteil der Fasern, die Eindringtiefe und der Eindringwinkel ab. Zudem verkalken die Fasern teilweise und scheinen in ihrer Funktionalität eingeschränkt8.

Trauma

Chirurgische Eingriffe mit Periostabhebung und Trauma des Periosts scheinen ebenfalls einen Einfluss auf die Beschaffenheit zu haben. Die gut vaskularisierte Knochenhaut trägt einerseits über die Canales perforantes und Foramina nutricia wesentlich zur Ernährung und Erhaltung des Knochens bei und sorgt andererseits über die Enervierung für entsprechende Rückmeldungen bezüglich der Belastung7. Eine histologische Studie am Hund legte nahe, dass das Periost nach Abheilung mit steigendem Grad des Traumas eine bis zur Hälfte geringere Dicke aufweist9. Die Lappenelevation stellt allein bereits ein Trauma dar, das wegen der kompromittierten Blutversorgung in den Volkmann‘schen Kanälen zur Hypoxie und damit teils zu Nekrosen führt9. Die anschließende Angiogenese war gleichzeitig gekennzeichnet durch eine erhöhte Gefäßdichte und begleitet von typischen Umbauerscheinungen9.

Die Induktion von Resorption nach Denudierung des Kieferknochens gilt heute als unumstritten. Reduktion von Trauma und die Vermeidung von Deperiostierung werden in der Literatur mittlerweile regelmäßig als Erfolgsfaktoren für die Regeneration des Alveolarkamms genannt10. Eine zusätzliche Deperiostierung nach Extraktion zeigte am Hundemodell im Schnitt ca. 0,7 mm mehr Resorption im bukkalen Bereich11. Durch Techniken zur Socket-Preservation waren die Volumenverluste zwar teils zu kompensieren, doch die Resorption der bukkalen Wand konnte nicht vollständig verhindert werden. Den Autoren zufolge liegt der Fokus des Weichgewebemanagements nach heutiger Erkenntnis im Erhalt des Volumens und in der Verbesserung der Weichgewebeverhältnisse für verzögerte Implantation. Stricker et al. beobachteten in einer tierexperimentellen Vergleichsstudie an Minischweinen einen massiv stärkeren Knochenabbau nach Ablösung des Periosts sowohl bukkal wie auch lingual beim Ridge-Splitting5. 

Ein möglicher Ansatz zur Reduktion des Traumas könnte die Präparation des Periosts mittels piezochirurgischer Methoden sein12. Am Rattenschädel wurde bei Ablösung des Periosts mit der Piezosurgery-Technik im Vergleich zum Raspatorium ein weit weniger traumatischer Einfluss auf die Kapillardichte und Mikrozirkulation beobachtet12. Doch nicht nur für ortständigen Knochen, sondern auch für Transplantate scheint die Denudierung folgenreich13. Am Kaninchen wurden auf der Calvaria Blocktransplantate aus der Beckenregion mit und ohne Belassen des Periosts aufgebracht und verglichen. Der Volumenverlust zeigte bei deperiostierten Transplantaten wesentlich höhere Werte mit histologisch nachweisbarer Beteiligung von Osteoklasten. Transplantate mit Periost zeigten natürlichen Umbau ohne Osteoklastenbeteiligung und merklich weniger Resorption. Die Autoren vermuten, dass die gefäßreiche Knochenhaut durch schnellere Anastomose zum Überleben der im Knochenblock vorhandenen Zellen beiträgt13.

Melcher berichtete über die Rolle des Periosts im Rahmen der knöchernen Wundheilung am Scheitelbein von Ratten14,15. Zellen aus dem ungestörten Periost in Nachbarschaft zu einem künstlich gesetzten knöchernem Defekt dienten demzufolge als Quelle für Osteoblasten, die in geringem Maße zur Knochenneubildung beitrugen. Dagegen konnten Zellen aus dem elevierten Periostlappen offenbar nicht zur Regeneration beitragen und eine Knochenneubildung blieb aus14. Der Autor konstatierte später, dass die osteogene Schicht des Periosts nach Reifung des Knochens zurück geht bis auf eine einzelllagige Kambiumschicht mit wenigen Progenitorzellen3. Bei Verletzung des Knochens müssen sich Progenitorzellen erst vermehren, bevor sie differenzieren können. Würden sie sofort differenzieren, wäre die Schicht schnell aufgebraucht3. Daher sei die Wundheilung im Erwachsenen verzögert. Die Progenitorzellen können außerdem je nach Einfluss zu verschiedenen Zellen differenzieren. Melcher folgerte, dass nur Zellen eines ungestörten Periosts zur Knochenneubildung beitragen können, zum Beispiel auch nach Elevation eines osteoperiostalen Lappens. Die Elevation eines mucoperiostalen Lappens dagegen zerstöre vermutlich den Großteil der Cambiumschicht3.

Osteogene Potenz

Um den möglichen Beitrag des Periosts an der Knochenneubildung im Unterkiefer zu untersuchen, wurden eine Deperiostierung und Anfrischung des Knochens an Affen vorgenommen16. Der Mukoperiostlappen wurde entweder über einem grobmaschigen Titanmesh allein oder einer Kombination von Titanmesh und PTFE-Barriere reponiert. Unter dem Volumen des Meshes konnte sich ein Blutkoagel für die Knochenneubildung stabilisieren. In der Gruppe ohne Barriere wurde ebenso wenig eine Knochenneubildung vom Periost aus beobachtet wie in der Gruppe mit Barriere. In beiden Fällen war neben einer vom ortsständigen Knochen ausgehenden unvollständigen knöchernen Defektfüllung, die Ausbildung eines neuen Periostes an der neu etablierten Knochenoberfläche zu erkennen. Das restliche Volumen zwischen Knochenoberfläche und Titanmesh wurde von Bindegewebe eingenommen. 

In beiden Gruppen hatte sich nach vier Monaten ein neues Periost auf der Knochenoberfläche organisiert. Ohne Barriere war das neue Periost charakterisiert durch eine einzelllagige Innenschicht und flachen (inaktiven) Zellen, mit Barriere durch eine einzell­lagige Innenschicht mit cuboiden (aktiven) Zellen16. Der Mineralisierungsgrad innerhalb des etablierten Knochens war gleich, lediglich in der Gruppe mit Barriere zeigte sich mehr neues Knochenvolumen (77,2 vs. 68,6 Prozent).

Zur Untersuchung, ob Transplantate aus unterschiedlichen Regionen ein ähnliches Potenzial für Knochenneubildung haben, wurden Perioststücke aus verschiedenen Bereichen von Kälbern in Mäuse transplantiert17. Dazu wurden Perioststücke sowohl aus dem desmalen Knochen von Schädel und Kiefer wie auch aus dem chondralen Knochen aus Becken und Fibula gewonnen und den Mäusen subkutan implantiert. Der Mineralisierungsgrad nach 20 Wochen zeigte für das Periost aus dem Bereich des Schädels das beste Ergebnis, gefolgt von Becken und Fibula, während der Mineralisierungsgrad nach Transplantation des Kieferperiosts kaum detektierbar war. Auch die knocheninduzierende Genexpression erwies sich am geringsten für das Periost aus der Kieferregion.

Gestützt werden diese Ergebnisse durch In-vitro-Zellversuche verschiedener Zelltypen aus Ratten18. Verglichen wurden Knochenmarkstromazellen, Osteoblasten und periostale Zellen aus der Calvaria. Im Vergleich zu den anderen Zelltypen war die alkalische Phosphatase-Aktivität nach sieben Tagen für Periostzellen kaum vorhanden, der Mineralisierungsgrad nach drei Wochen wesentlich geringer. Lediglich die kollagene Matrixbildung nach zwei Wochen war vergleichbar. Immunhistochemisch fanden sich im Periost nur wenige Osteoprogenitorzellen. 

Präklinische Vergleiche von Periost und Membran

In verschiedenen Tierstudien konnte ein positiver Effekt der Barrierefunktion von GBR-Membranen auf die Defektfüllung nach GBR-Maßnahmen festgestellt werden19–23. Kim et al. verglichen im Hundemodell künstliche Critical-Size-Defekte im Unterkiefer und stellten in Kontrolldefekten ohne weitere Maßnahmen eine Defektfüllung von einem Drittel, mit einem bovinen Knochenersatzmaterial zwei Drittel und mit der Kombination aus Knochenersatz und Kollagenmembran knapp 90 Prozent nach 16 Wochen fest22. Auch der Vergleich verschiedener Membrantypen auf Basis von Polylactid, PTFE und Kollagen zeigte im Rattenmodell, dass die Knochenneubildung unter Membranen im Allgemeinen besser war als in der Kontrolle23. Interessant war, dass die Regenerationskinetik mit einer zügig resorbierbaren Kollagenmembran initial schneller war als mit PTFE, nach zwölf Wochen sich aber nicht von der nicht-resorbierbaren PTFE-Barriere unterschied. Dies legt nahe, dass die Forderung nach künstlicher Standzeitverlängerung von kollagenbasierten Membranen infrage gestellt werden darf. Simion et al. testeten die periimplantäre Defektfüllung in Abhängigkeit davon, ob das Weichgewebe allein von Implantaten oder zusätzlich mit einer PTFE-Barriere gestützt wurde21. Im Testgebiet war nach sechs Monaten Knochen bis in die Nähe der Barriere gewachsen, im Kontrollgebiet fand Knochenwachstum nur in der Nähe der Implantate statt. Peri­radikuläre Defekte nach Wurzelspitzenresektionen zeigten im Hundemodell weniger bindegewebiges Attachment und mehr neuen Knochen, parodontales Ligament und Zement, wenn die Läsion mit bovinem Knochenersatz und einer Kollagenmembran im Sinne der GTR abgedeckt wurde20.

Klinische Relevanz

Eine kontrollierte klinische Studie zu Fenestrationsdefekten an Implantaten zeigte Regeneration unter ePTFE-Barrieren, dagegen keine Regeneration an mit originärem Periost bedeckten Defekten19. Hier spielt sicher auch der volumenstabilisierende Effekt der Barrieremembran eine Rolle, jedoch sind den Autoren bis zum jetzigen Zeitpunkt keine Berichte über periostale Regeneration von Knochen an Implantaten bekannt. Ein Review über die Expositionsrate, Defektfüllung und Implantatüberlebensrate an periimplantären Dehiszenzdefekten konnte einen signifikant positiven Effekt von Membranen auf die Defektfüllung aufzeigen, sowohl bei der Deckung autologer Augmentate als auch für die Abdeckung über Knochenersatzmaterial24. Für autologe Blocktransplantate in der Anlagerungsosteoplastik wird heute zunehmend aufgrund der geringen Resorptionsrate die begleitend periphere Umlagerung mit Knochenersatz und simultane Abdeckung der Kortikalis mit einer dünnen Schicht Knochenersatz und Kollagenmembran als Standard diskutiert25. Auch ein Review zu unterschiedlichen Techniken der Kammaugmentation bestätigt für die GBR ähnlich zuverlässige Ergebnisse wie für die Osteodistraktion26, in der das Wesen der desmalen Ossifikation optimal genutzt wird. In der lateralen Sinusbodenelevation wurden zum Teil ebenfalls höhere Knochenneubildungsraten unter Anwendung von Kollagenmembranen gezeigt27. Meta-Studien zeigen, dass vor allem für schmale Sinuskonfigurationen und bei einer Fensterung in Höhe von simultan gesetzten Implantaten die Implantatüberlebensrate durch die Abdeckung mit Membranen positiv beeinflusst wird28,29.

Schlussfolgerung

Das Periost des Kieferknochens ist eine dünne bindegewebige Doppelschicht für die mechanische Kopplung zwischen Muskeln und Knochen sowie die nutritive Versorgung des Knochens. Das Periost mit den eingelagerten Progenitorzellen besitzt ein regeneratives Potenzial, das aber im Alter nachlässt. Eine Elevation des Periosts vom Knochen führt zum Verlust der oberflächlichen Ernährung und setzt die osteoklastäre Resorption in Gang. Klinisch ist kein Nachweis einer osteogenen Potenz nach Elevation erbracht, eher lässt sich von einer periostogenen Potenz des neu etablierten Knochens sprechen. Das Periost sollte daher im Rahmen augmentativer oder implantologischer Maßnahmen so weit wie möglich am Knochen erhalten werden. Wo eine Elevation nötig ist, muss davon ausgegangen werden, dass Progenitorzellen zu Fibroblasten differenzieren können, und der Wettstreit zwischen ossärer und fibröser Defektfüllung zugunsten einer bindegewebigen Defektfüllung ausgehen wird. Aus diesem Grund sollte nach Denudierung die Indikationsstellung einer Membranapplikation sorgfältig erwogen werden.

Ein Beitrag von PD Dr. med. Dr. med. dent. Andres Stricker, Konstanz, Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Ralf Gutwald, Krems, Österreich, Dr. med. Dr. med. dent. Nils Weyer, Esslingen, und Dr. rer. nat. Emil Endreß, Baden-Baden

In Quintessenz Online Select veröffentlichter Sonderdruck aus Implantologie 1/18, zur Verfügung gestellt von Geistlich Biomaterials Vertriebsgesellschaft mbH, Baden-Baden.

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Quelle: Implantologie, Ausgabe 1/18 Zahnmedizin Implantologie

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