0,00 €
Zum Warenkorb
  • Quintessence Publishing Deutschland
Filter
1407 Aufrufe

Ersetzt man Wasserstoff durch Fluor, wird die Metabolisierung organischer Pharmazeutika im Körper verzögert

Die Entwicklung und Verbesserung von Pharmazeutika spielt eine zentrale Rolle im Kampf gegen Krankheiten. Ein ForscherInnenteam um Chemiker Nuno Maulide von der Universität Wien und Harald Sitte von der Medizinischen Universität Wien hat nun ein neues Werkzeug entdeckt. Die WissenschafterInnen konnten Wasserstoff in wichtigen Arzneimitteln mühelos durch Fluor ersetzen – dasselbe Fluor, das auch in Zahnpasta verwendet wird. Diese neue Entdeckung erlaubt die Feinabstimmung von bereits bekannten (sowie auch potenziell neuen) Pharmazeutika. Die Ergebnisse werden aktuell im Fachmagazin Nature Chemistry publiziert.

Schlüssel und Schloss

Die große Mehrheit der Pharmazeutika, die zur Behandlung menschlicher Erkrankungen angewandt werden, ist organischer Natur. Ihre aktive Komponente ist ein Molekül, das aus Kohlenstoff- und Wasserstoffatomen aufgebaut ist. „Unsere Körper sind nichts anderes als eine Ansammlung von Milliarden Kohlenstoffverbindungen, oder in anderen Worten, organischen Molekülen“, erklärt Nuno Maulide, Österreichs Wissenschafter des Jahres 2018, von der Universität Wien. Durch diese Ähnlichkeit sind organische Pharmazeutika ideal, um mit dem menschlichen Körper zu interagieren.

Der Entwurf eines pharmakologischen Moleküls passend zu einer spezifischen Interaktion mit einem Rezeptor wird oft mit dem Schlüssel-Schloss Prinzip erklärt. „Der Rezeptor (oft ein Enzym) hat eine einzigartige Struktur (Schloss) und benötigt daher auch eine einzigartige Struktur (Schlüssel), mit der er interagieren kann. Der Schlüssel – Wortspiel beabsichtigt – zu einer vorteilhaften Bioaktivität ist die strukturelle Unversehrtheit der pharmazeutischen Verbindung, um die exakte Passform zu gewährleisten“, erklärt Harald Sitte von der Medizinischen Universität Wien und Koautor der Studie.

Verdaut, bevor sie wirken können

Allerdings werden Pharmazeutika, die in den Körper gelangen, von denselben Enzymen abgebaut, die auch Essensbestandteile verarbeiten. „Diese Art von Aufräummaschinerie ist für unseren Körper zwar essenziell um ihn zu schützen, unglücklicherweise ist sie oft nicht spezifisch und Pharmazeutika werden metabolisiert, sobald sie in den Körper gelangen“, stellt Christopher Teskey, Ko-Erstautor der Studie, fest. Dadurch können Medikamente ihre vorteilhaften Eigenschaften verlieren. „Ein Großteil dieses Abbaus erfolgt an der Bindungsstelle zwischen Kohlenstoff und Wasserstoffatomen. Diese C–H Bindungen könne leicht oxidiert werden“, erklärt Co-Erstautorin Pauline Adler.

Fluoratom bindet stärker

Einen vielversprechenden Ansatz, um dieses Problem zu lösen, haben ChemikerInnen vor einigen Jahren entdeckt: Den Tausch von besonders schwachen C–H Bindungen mit viel stärkeren C–F Bindungen. Obwohl sich Wasserstoff und Fluor in manchen Aspekten stark unterscheiden, sind deren Größen vergleichbar und man kann davon ausgehen, dass der Austausch nur einen minimalen Effekt auf die Struktur des Medikaments hat, wie Maulide erklärt: „Durch dessen unterschiedliche elektronische Eigenschaften kann ein strategisch platziertes Fluoratom zusätzliche Interaktionen mit dem Ziel erzeugen und dadurch den erwünschten Effekt verstärken.“ Zudem könne das Einführen von Fluor in ein Medikament dessen Eigenschaften so verändern, dass es leichter vom Körper aufgenommen werden könne, ergänzt Koautor Daniel Kaiser.

Fluorid ist erst der Anfang

Die Einführung von Fluor kann eine Vielzahl von vorteilhaften Effekten auf Pharmazeutika haben, jedoch ist die Platzierung auf organische Moleküle oft nicht einfach. „Die meisten Chemiker versuchten Fluor einzuführen, indem sie negativ polarisierte organische Moleküle mit einem F+-Reagenz reagieren ließen. Wir haben das Gegenteil gemacht: Wir wechselten die Polarität des organischen Moleküls, sodass wir dasselbe Fluorid verwenden konnten, das auch in Zahnpasta verwendet wird“. „Der neu entwickelte Ansatz verwendet günstiges Ausgangsmaterial und ist einfach zu handhaben“, freut sich Maulide. „Die Methode um Wasserstoff unter einfachen Bedingungen mit Fluor zu ersetzen, ist nur der Anfang. Wir können uns vorstellen, dies mit einer Reihe anderer Pharmazeutika zu machen und die Eigenschaften der neu erzeugten Analoga zu erforschen.“

Originalveröffentlichung:
 Pauline Adler, Christopher J. Teskey, Daniel Kaiser, Marion Holy, Harald H. Sitte, Nuno Maulide: α-Fluorination of carbonyls with nucleophilic fluorine. Nature Chemistry, 4. März 2019


Titelbild: Irina Shi/shutterstock.com
Quelle: IDW online Nachrichten Bunte Welt

Adblocker aktiv! Bitte nehmen Sie sich einen Moment ...

Unser System meldet, dass Sie eine aktive AdBlocker-Software verwenden, die verhindert dass alle Seiteninhalte geladen werden können.

Fair geht vor: Unsere Partner aus der Industrie tragen durch ihre Anzeigen einen maßgeblichen Teil zum Betreiben dieser Newsseite bei. Diese finden Sie in überschaubarer Anzahl auf der Startseite sowie den einzelnen Artikelseiten.

Bitte setzen Sie www.quintessence-publishing.com auf Ihre „AdBlocker Whitelist“ oder deaktivieren Ihre AdBlocker Software. Danke.

Weitere Nachrichten

  
25. Apr. 2024

Was den Menschen in Deutschland in Sachen Ernährung wirklich wichtig ist

DANK-Kommentar: Zukunftsweisende Empfehlungen des Bürgerrates als Chance für mehr Prävention
25. Apr. 2024

Stressbelastung im Zahntechnikerhandwerk

Verband medizinischer Fachberufe e.V. zu den Ergebnissen ihrer Online-Umfrage – weiterhin großer Handlungsbedarf
23. Apr. 2024

Kurz und knapp

Kurznachrichten und Informationen aus der (dentalen) Welt – April 2024
22. Apr. 2024

„Ein Pionier der wissenschaftlichen Implantologie, Mentor und Freund“

Nachruf der Deutschen Gesellschaft für Implantologie auf Prof. Dr. Dr. Peter Tetsch
18. Apr. 2024

Wechsel in der Geschäftsführung in Bremen

Axel Klarmeyer verlässt nach fast 30 Jahren auf eigenen Wunsch die Bego – Dr. Alexander Faber folgt als neuer CSO
16. Apr. 2024

Kortison wirkt – aber wie eigentlich?

Neue Erkenntnisse zu molekularen Wirkmechanismus eröffnen Suche nach neuen Alternativen
16. Apr. 2024

Zahnmedizin-Studierende in Brandenburg starten ins Studium

Neuer Studiengang an der Medizinischen Hochschule Brandenburg – 48 Erstsemester angenommen
15. Apr. 2024

Zahnmedizin in Nordrhein überdurchschnittlich betroffen

Fehlentscheidungen und ausbleibende gesetzliche Regelungen – Kritik auf Bundesebene bekräftigt