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Gedanken zur aktualisierten Ausbildung, wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und solidarischen Wahrnehmung berufspolitischer Aufgaben

Wir haben die Welt nur von unseren Kindern geliehen, so heißt es. Wir haben eine Verantwortung unserem Nachwuchs gegenüber – was für unsere Umwelt gilt, gilt auch für unser Handeln in der Ausrichtung bezüglich der Zukunft unseres Berufstands.


ZTM German Bär, Sankt Augustin (Foto: Bär)

Deutschland steht für eine hochwertige Zahnmedizin mit weltweit hohem Ansehen und beispielhaftem Vorsprung. Dieser Vorsprung darf nicht auf dem Altar der „Geiz-ist-geil“ -Mentalität und egoistischer Ignoranz geopfert werden. Es gilt, traditionelle Werte und modernste Technologien weiterzugeben. Das heißt, unser Nachwuchs muss konsequent, praktisch und theoretisch ausgebildet werden, um den weltweiten Vorsprung nachhaltig zu sichern.

Umgang mit CNC-Maschinen und CNC-Fachkunde als Basistechnologie der Ausbildung

Die konsequente Auseinandersetzung mit digitalen Prozessen und analogen Fertigungstechnologien ist für die Zukunft ein Muss. Viele Bereiche müssen aber erst analog im wahrsten Sinne des Wortes „begriffen“ werden, denn wer analog schon Schwierigkeiten hat, wird digital noch mehr Schwierigkeiten bekommen. Im optimalen Fall läuft die Ausbildung in der digitalen und analogen Fertigung je nach ökonomischer und qualitativer Effizienz nebeneinander ab. Die Auszubildenden beginnen ihren Arbeitstag mit analogen Modellationsübungen und Setups, bevor diese Arbeiten dann digital erstellt werden.

Dieser Ausbildungsschritt ist wichtig für das dreidimensionale Verständnis des Zahntechnikers, so wie für das Begreifen von Konzepten, Technologien und werkstoffkundlichen Aspekten. Wir werden für die Zukunft Änderungen in der Ausbildungsordnung und Lehrer brauchen, die den digitalen Workflow und den Umgang mit CNC-Maschinen als Basistechnologie in der Zahntechnik lehren.

CAD braucht CAM und Werkstoffkunde

In einigen Berufsschulen werden heute schon CAD-Kurse angeboten und in Pilotprojekten der digitale Workflow vermittelt. Doch zur CAD-Ausbildung gehört auch die CAM-Ausbildung sowie die fachspezifische Werkstoffkunde bezüglich neuer Werkstoffe.

Elementar für ein selbstbewusstes, unabhängiges Zahntechnikerhandwerk der Gegenwart und der Zukunft ist die Ausbildung und das Vermitteln und Abprüfen von Fachwissen um CNC-Maschinen, moderne Werkstoffkunde, Zerspanungstechnik und additiver Fertigungsverfahren.

Mit CAD/CAM international konkurrenzfähig?

Betriebswirtschaftlich wurde uns von der Dentalindustrie zum Jahrtausendwechsel der digitale Workflow nahegebracht. Er sollte dem deutschen Dentallabor die Möglichkeit geben, der Konkurrenz aus dem Ausland preislich begegnen zu können. 15 Jahre später muss man sagen, dass die digitale Fertigung aufgrund der Softwarelizenzen, hochwertigeren Materialien und Technologien nicht wirklich preisgünstiger als die analoge Technik geworden ist.

Wir erreichen durch die Digitaltechnologie einen höheren Präzisionsgrad und eine optimalere Werkstoffgüte unserer Arbeiten. Dies spiegelt sich letztlich in einer positiven Anhebung der Versorgungsqualität für den Patienten wieder. CAD/CAM gewährleistet dann eine Nachhaltigkeit und steigert so die Wertigkeit des Zahnersatzes.

Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Zukunft

Es gilt neben Technologien, Konzepten, Know-how und der Begeisterung für die Zahntechnik auch die entsprechenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Zukunft zu hinterlassen und an unseren Nachwuchs weiterzugeben. Know-how kommt nicht über Nacht, Know-how ist hart erarbeitet und muss bezahlt werden.

In den vergangenen zehn Jahren hat ein Paradigmenwechsel stattgefunden und das Berufsbild des Zahntechnikers hat sich geändert. Bildlich gesehen haben die Zahntechniker der Vergangenheit anonym unter dem Kittel des Zahnarztes gearbeitet. Heute werden seitens der Zahnärzteschaft von der Zahntechnik Präsenz und Service in der Praxis gefordert – und dies mit einer hohen Anforderung im Bereich der sozialen Kompetenz bezüglich der Kommunikation im Team mit Behandler und Patienten.

Zahntechnikerinnen und Zahntechniker sind Planungspartner, Netzwerker, CAD-Designer, CNC-Fachkräfte, Fotografen, Ästhetik Analysten, leidenschaftliche Kunsthandwerker und Ausbilder, die auf wissenschaftlicher Basis medizinisch und technologisch ausgebildet wurden und sich mit hoher Selbstdisziplin nach der Ausbildung und Meisterprüfungen fort- und weiterbilden. Diese Tatsachen sind Grundlage für einen von Selbstbewusstsein getragenen zahntechnischen Berufsstand der Zukunft. Es ist an der Zeit, diesen bereits weitgehend vollzogenen Paradigmenwechsel des Berufsbilds Zahntechnik mit der angemessenen Rechtssicherheit und adäquaten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu versehen.

Kassen argumentieren mit Billig-Zahnersatz aus Deutschland

Dies geht nur mit einer Standesvertretung, die – getragen von ihren Mitgliedern – in der Lage ist, die politischen Interessen der Zahntechniker regional und in Berlin optimal zu vertreten. In der heutigen Konstellation gestaltet sich dies –  bedingt durch mangelnde Zahlen von Innungsmitgliedern –  zunehmend schwieriger.

Die Krankenkassen reklamieren trotz staatlich regulierter Zwangspreise den Zahnersatz als zu teuer und versuchen in den Preisverhandlungen, die Vergütungen für zahntechnische Leistungen zu senken. Die Forderung, dass Zahnersatz bezahlbar sein soll, ist legitim, aber das heißt nicht, ihn zu ruinösen Dumpingpreisen verlangen zu können. Auf der anderen Seite bieten deutsche Dentallaboratorien Zahnersatz für „30 Prozent unter BEL“ an und erhoffen sich Vorteile durch ein Alleinstellungsmerkmal „billigster Preis“ und der vermeintlichen Marktverdrängung „hochpreisigen“ Konkurrenz.

Die gewerblichen Labore befinden sich damit im ungleichen Wettbewerb mit so manchem Mitbewerber und sind dem Druck durch die Krankenkassen und nicht immer fairem Wettbewerb ausgesetzt. In vorauseilendem Gehorsam wird zum Teil ein ruinöser Preiskampf geführt, der die zahntechnische Zukunft fahrlässig aufs Spiel setzt. Wohin so ein Preiskampf führen kann, dafür gibt es in der Industrie genug Beispiele – siehe Schlecker, Max Bahr, und die Hamburger Schiffswerft Blohm und Voss, die sich im nationalen und internationalen Preiskampf mit vollen Auftragsbüchern in die Insolvenz verabschiedet haben.

Billig-Zahnersatz, in Deutschland gefertigt, dient den Krankenkassen als Argumentationsgrundlage bei den Preisverhandlungen dafür, dass die BEL als „Höchstpreisliste“ völlig ausreichend ist und von einigen Laboratorien ja schließlich bis zu 30 Prozent unterschritten wird. Die BEL dient auch den Privaten Krankenkassen als Referenzpreisliste. Sinkt der BEL-Preis, sinkt auch die Vergütung oder es reduzieren sich die Leistungspositionen beim PKV Patienten. Hier sind ein von Selbstbewusstsein getragener Schulterschluss und eine Innungsmitgliedschaft aller inhabergeführten Dentallabore in Deutschland gefragt.

Innung – das sind wir

Innung – das sind wir. In und für die Innung arbeiten viele sehr engagierte Kollegen ehrenamtlich und ich kann mir nicht vorstellen, dass auch nur einer dieser Kollegen nicht das Beste für unser Handwerk erreichen will.

Innungsarbeit heißt:

  • die zahntechnischen Interessen auf allen Ebenen zu vertreten
  • Fördern der gemeinsamen gewerblichen Interessen ihrer Mitglieder
  • Pflege des Gemeingeistes und der Berufsehre sowie Förderung eines guten Verhältnisses zwischen Meistern, Gesellen und Lehrlingen
  • Bildung von Prüfungsausschüssen und Abnahme von Gesellenprüfungen nach Paragraf 33 Handwerksordnung im Auftrag der Handwerkskammer
  • Fördern des handwerklichen Könnens der Meister und Gesellen (zum Beispiel durch Fachschulen oder Lehrgänge)
  • Erstellen von Gutachten und Auskünfte über Angelegenheiten der in ihr organisierten Handwerke

    Vermittlung bei Streitigkeiten zwischen Mitgliedern und ihren Auftraggebern.

Die Förderung der gemeinsamen gewerblichen Interessen des Zahntechnikerhandwerks erfolgt in aufwendiger Verbandsarbeit der Innungen, vertreten durch den VDZI in Berlin. Lobbyarbeit heißt, sich abstimmen und gemeinschaftlich Dinge des gemeinsamen Interesses für das Zahntechnikerhandwerk zukunftsorientiert nach vorne zu bringen. Das bedeutet für die Vorstände der Innungen die Ausarbeitung von gemeinsamen Richtlinien, Disziplin, Arbeit, Abstimmung – und sich auch einmal zurückzunehmen und persönliche Eitelkeiten hintanzustellen.

Solidarisch starkes Zahntechnikerhandwerk

Zwei Dinge müssen wir uns berufspolitisch vor Augen halten:

  1. Es ist 5 vor 12, bevor andere, berufsfremde Organisationen auf Basis der nicht mehr repräsentativen Mitgliederzahl der Innungsbetriebe über unsere Köpfe hinweg bezüglich unserer Zukunft entscheiden und den Zahntechnikern keine Selbstverwaltung und Mitsprachemöglichkeit mehr einräumt.
  2. Der Weg zu positiven Veränderungen für das Zahntechnikerhandwerk führt nur über solidarisch starke Innungen respektive Innungsmitgliedschaft sowie die Mitgliedschaft der Innung im VDZI, der nach den Spielregeln der politischen Umgangsformen die Interessen der Zahntechniker in Berlin vertritt.

VDZI ist die einzige legitime politische Institution der Zahntechniker

Schon jetzt stehen große dentale Wirtschaftsunternehmen mit ausländischen Investoren in den Startlöchern, um mit den Krankenkassen Versorgungsverträge abzuschließen und die Versorgungssicherheit mit Zahnersatz, günstig im In- und Ausland produziert, über ganz Deutschland sicherzustellen. Lediglich der VDZI stört und verhindert hier noch. Der VDZI wird aber von den dentalen Wirtschaftsunternehmen, Krankenkassen, Industrie und zahnärztlichen Berufsverbänden aufgrund mangelnder Mitgliedszahlen der Innungen und dem Ausscheiden einzelner Innungen als Auslaufmodel gesehen.

Es Ist aber der VDZI, der als die einzige legitime Institution die wirtschaftlichen und ordnungspolitischen Rahmenbedingungen in Berlin verhandeln darf. Fällt er als Verhandlungspartner weg, werden im Falle eines Falles die Krankenkassen oder andere Gruppen über die Belange der Zahntechniker entscheiden.

Suizidales Verhalten einiger Protagonisten

Das Verhalten einiger Protagonisten im Zahntechnikerhandwerk gleicht einem suizidalen Zustand, in dem Gedanken, Phantasien, Impulse und Handlungen anhaltend, wiederholt oder in bestimmten krisenhaften Zuspitzungen darauf ausgerichtet sind, gezielt den Tod des eigenen Handwerks herbeizuführen. Es besteht hier die fatale Gefahr der Fehleinschätzung von verschieden, VDZI-fernen Arbeitgeber- und Arbeitnehmer-Verbänden, die hoffen, wie Phönix aus der Asche das Sozialgesetzbuch (SGB V) und die gesetzlichen Rahmenbedingungen im Sinne des Zahntechnikerhandwerks neu verhandeln zu können.

Mit dem Tod des VDZI sterben auch unwiederbringlich die politische Anerkennung, die Selbstbestimmung/Selbstverwaltung und die politische Einflussnahme des Zahntechnikerhandwerks – da keiner der politischen Antagonisten eine neue Interessenvertretung der Zahntechniker mit sozialrechtlicher Verbriefung zulassen wird. Die Frage, ob dies in unser aller Sinne ist, kann jeder leicht für sich beantworten.

Im Hier und Jetzt aktiv mitgestalten

Unsere Generation steht in der Verantwortung und ist heute mehr denn je gefordert solidarisch zu handeln: Die Zukunft gehört dem Nachwuchs, und die beste Möglichkeit, die Zukunft vorherzusagen ist, sie im Hier und Jetzt aktiv und verantwortungsvoll in den zahntechnischen Betrieben, den Berufsschulen und den Innungen im VDZI mitzugestalten.

Mit kollegialem Gruß

ZTM German Bär, Sankt Augustin

Dieser Beitrag wurde von ZTM German Bär Mitte Juni 2018 auf Facebook zum ersten Mal veröffentlicht. Übernahme mit freundlicher Genehmigung des Autors.


Titelbild: Shutterstock, Liubov Mikhailova
Zahntechnik Unternehmen Dentallabor Menschen

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